„Wir sind immer stärker als ihr“
Jörg Asmussen war deutscher Direktor bei der Europäischen Zentralbank. Was er Wolfgang Schäuble ans Krankenbett gebracht hat, warum das „Easyjet-Europa“ so wertvoll ist und wie man Märkten ihre Grenzen aufzeigt, erklärt er Thore Barfuss und Sebastian Pfeffer.

*The European: Herr Asmussen, nervt es Sie eigentlich, dass Sie überall den Euro verteidigen müssen?* Asmussen: Nein, überhaupt nicht! Und das ist nicht mal eine Marketing-Antwort. Der Euro ist ein gutes Projekt, für das ich gern einstehe. Ich würde ungern einen Automobilkonzern verteidigen müssen. *The European: Warum?* Asmussen: Das wäre nicht mein Ding. Denn der Euro geht über ein wirtschaftliches Projekt hinaus. Er ist das Symbol für die europäische Einheit. Dafür kann man rausgehen und kämpfen. *The European: In Deutschland beobachten wir zunehmend eine eurokritische Haltung bis tief hinein in die berühmte Mitte der Gesellschaft.* Asmussen: Die Beobachtung ist richtig. Man schämt sich nicht mehr dafür, öffentlich aufzutreten und zu sagen: „Das Ding soll weg!“ *The European: Ist das die Lust am Tabubruch?* Asmussen: Es ist inzwischen gar kein Tabubruch mehr. In jeder Talkshow sitzt einer, der das so fordert. Ich kann verstehen, dass die Leute fragen: „Was macht ihr da mit Griechenland?“ oder „Sehen wir unser Geld wieder?“ Aber ich glaube an die vermeintlich simplen Antworten nicht. *The European: Hätten Sie es begrüßt, wenn die AfD ins Parlament eingezogen und dann kolossal an ihren nicht erfüllbaren „einfachen Antworten“ gescheitert wäre?* Asmussen: Das ist insofern eine schwierige Frage, weil wir als EZB politisch völlig neutral sind. Aber die AfD ist eine Partei, die als Hauptziel die Abschaffung des Euro hat. Und unser Mandat ist es, für die Stabilität des Euro zu sorgen. *The European: Ist diese Neutralität nicht ein Widerspruch, weil der Euro ein politisches Projekt ist? Es wäre theoretisch möglich, dass sich eine Bundesregierung offen gegen den Euro stellt. In dem Moment müsste die EZB doch politisch Stellung beziehen.* Asmussen: Notenbanken sind per Definition politisch neutral. Sie sind unabhängig, weil sie ein eng begrenztes Mandat haben. Auf der anderen Seite ist die EZB eine einmalige Institution. Die amerikanische Notenbank agiert in einer Sprache, in einem Staat, mit einer Fiskalpolitik. Wir handeln in einem mehrsprachigen und mehrstaatlichen Umfeld.