Wer, wieso, warum
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Im Gegensatz zum Koalitionsvertrag sagen die Personalien des Kabinetts mehr über den Kurs der neuen Bundesregierung aus. Doch nach welchen Kriterien hat Angela Merkel wirklich ihr Kabinett zusammengestellt?

Wer Minister wird, wer welcher Minister wird und wer nicht Minister wird, das sagt mehr aus über eine neue Regierung als ein so flüchtiges Dokument wie der Koalitionsvertrag. Auch wer sich jetzt das sperrige Werk aus dem Internet lädt, wird sich kaum an Einzelheiten erinnern, wenn die Zeitgeschichte längst anderes im Sinn hatte, als sich an einen schwarz-gelben Vierjahresplan zu halten. Bleibt Angela Merkels Personalauswahl, um etwas über ihre Politik der nächsten Jahre zu erfahren. Deutschland hat drei für seine Zukunft zentrale Probleme: seine Exportabhängigkeit, sein schlechtes Bildungssystem und seine demografiehörigen Sozialsysteme. Erstens braucht unsere exportabhängige Volkswirtschaft nach der Finanzkrise ein neues Geschäftsmodell – wir leben vom Konsum anderer Wirtschaften und geben selbst zu wenig für den Konsum unserer Waren und Dienstleistungen aus. Wenn überall auf der Welt das Geld knapp wird, müssen wir mehr selbst konsumieren, sonst wird aus der Konjunkturkrise eine Staatskrise. Die schwarz-gelbe Antwort: Steuersenkungen. Gar nicht verkehrt – wenn die Details nicht wären. Denn wer die Lohnnebenkosten für Arbeitgeber einfriert, sie aber für Arbeitnehmer steigen lässt, der sorgt nicht für Konsum. Wer das Kindergeld und die Freibeträge erhöht, der schafft Anreize für Eltern, Geld beiseitezulegen, nicht, mehr zu kaufen. Gutverdiener zu entlasten hilft ebenso wenig. Und ist der sicher kompetente Wolfgang Schäuble der richtige Finanzminister, um per Radikal-Evolution die Wirtschaft umzukrempeln? Rainer Brüderle im Wirtschaftsministerium wird viel Lärm machen und Reformen versuchen, aber er ist kein Ludwig Erhard. Der eigentlich interessante Mann heißt Norbert Röttgen. Als neuer Umweltminister soll der Wirtschaftsexperte aus deutscher Öko-Technik eine neue Erfolgsgeschichte basteln. Das hat Zukunft. Zweitens: Bildung ist in Deutschland eine Frage der sozialen Herkunft. Je niedriger die Verhältnisse, desto geringer die Chancen auf sozialen Aufstieg durch Bildung. Das ist eine Katastrophe: Talent wird verschleudert, Einwanderern der Aufstieg verwehrt, wirtschaftliches Wachstum mutwillig sabotiert. Bildungsministerin Annette Schavan war in den vergangenen vier Jahren sagenhaft unsichtbar und darf dennoch bleiben. Sie hat wenig Spielraum: Mit mehr Geld für die Bildung mischt sie sich in qua Verfassung ihr nicht zugedachte Politikfelder ein, ohne die Macht, Strukturen zu verändern. Mehr Geld für Unis und Stipendien ist gut, aber keine Lösung.