Oma war Nazi
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Die israelische Regierung kommt zu einer Kabinettssitzung nach Berlin. Im Zentrum des ehemaligen Dritten Reiches sagen Frau Merkel und Herr Netanjahu: Normal werden die Beziehungen zwischen Juden und Deutschen nicht. Zumindest so lange nicht, meint The-European-Chefredakteur Alexander Görlach, wie die Menschen noch unter uns leben, die als Täterinnen und Täter infrage kommen: unsere Omas und Opas.

Die erste gemeinsame Kabinettssitzung einer israelischen und einer deutschen Regierung. Die Beziehungen beider Länder werden für immer im Zeichen der Schoah stehen, dem millionenfachen Mord an den europäischen Juden. Angela Merkel und Benjamin Netanjahu sagen das bei ihrer Begegnung in Berlin, stellvertretend für Juden und Deutsche. Beide Seiten sehnen sich gleichzeitig nach einer Normalisierung, die es aber aufgrund der Schoah nicht geben kann – noch nicht? Ich frage mich, was eigentlich genau meine Großväter während der Zeit des Dritten Reiches gemacht haben. Sie waren Soldaten. Das waren viele. Waren sie Mitglied in der NSDAP? Waren sie überzeugte Nazis? Waren Sie Mitläufer oder gar im Widerstand? Bei uns im Dorf, in dem ich meine Kindheit verbracht habe, wurde über den Krieg nicht gesprochen. Bei meinen Großeltern nicht und bei denen meiner Schulfreunde auch nicht. Die Opas trafen sich zum Kartenspielen und zum Schoppentrinken: Dort haben sie über den Krieg geredet. "Über die Gefangenschaft", wie mein Großvater sagte.