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> Das erste Fernsehduell Clinton gegen Trump

Für die Wähler war es ein Patt

Die Debatte war historisch. Erstmals hat eine Frau die Chance, US-Präsidentin zu werden. Doch das berührt viele Wähler in den USA nicht allzu sehr, die Mehrheit der US-Amerikaner sieht das Land prinzipiell auf einem falschen Weg. Das dürfte einer der Hauptgründe dafür sein, warum Donald Trump ihr Gegenkandidat wurde. Europa will Clinton. Doch wie diese Wahl ausgeht, ist noch lange nicht klar.

The European

Pünktlich erschienen sie nicht. Fast drei Minuten Verspätung hatten Donald Trump und Hillary Clinton. Ungewöhnlich für ein Fernsehduell. Aber das steigerte die Spannung nur. Und sehr schnell ging es zur Sache. Mit der Wirtschaftspolitik. Hillary Clinton brachte es fertig, in der ersten halben Minute ihres einleitenden Redebeitrag den zweiten Geburtstag ihres Enkelkindes zu erwähnen. Höflich und konziliant versprach sie Investitionen, kündigte Steuererhöhungen für die reichsten Bürger an und vergaß auch nicht, ihre Herkunft aus dem handwerklichen Milieu als Tocjter eines Raumausstatters zu erwähnen. Das war sehr brav, wenn auch nicht ungeschickt. Viele potentielle Trump-Wähler dürfte sie mit dieser Eröfnung nicht zu sich herübergezogen haben. Donald Trump begann direkt und schnökellos darüber zu sprechen, daß die USA keine Arbeitsplätze mehr exportieren dürften. Als seine wichtigste Maßnahme dazu nannte er Steuersenkungen. Diese sehr einfache Botschaft wiederholte er öfter während seiner Redebeiträge; er warf seiner Gegenkandidatin vor, Steuern erhöhen und bürokratische Hürden errichten zu wollen, und forderte ein unternehmerisches Denken wie dasjenige, das ihn auszeichnet. Und genau das ist es, was seine Wähler und Unterstützer von ihm hören wollen.

Wohlstand als Vorwurf, E-Mails als Affäre
Clinton konterte, Trump wolle für seine Familie Steuererleichterungen herausschlagen, schlug vor, in die Mittelschicht zu investieren und warb für kostenlose Bildung. Aus europäischer Sicht war das inhaltlich stark, doch in den USA ticken die Uhren etwas anders als hierzulande. So ließ Trump das nicht auf sich sitzen, und er verfiel auch in den so oft bei ihm gesehenen scharfen Ton und wiederholte seine Forderung nach Senkung der Steuern. Clinton war, obschon Trumps Argumente simpel waren, zeitweise in der Defensive. Und dann wurde es privat, man warf sich prersönliche Verfehlungen vor. Seine Steuererklärung, die von Clinton wortreich angemahnt wurde, wolle er sofort veröffentlichen, so Trump, wenn Frau Clinton ihre 33.000 gelöschten E-Mails auf den Tisch lege. Das war die vielleicht beste Pointe des Rededuells, und Clinton musste ihr Lächeln, das für einige Momente wie in ihr Gesicht eingemeißelt wirkte, tapfer verteidigen. Dann konterte sie sehr cool und nannte Fakten aus dem Vermögen und der Steuererklärung ihres Gegenkandidaten, die absolut nicht schmeichelhaft klangen. Die Vorgänge rund um ihre eigenen E-Mails nannte sie selbst einen Fehler, doch sie verlor ihr Lächeln auch angesichts dieses harten Angriffs nicht. Überhaupt stand sie sehr lange, immer wieder, schweigend und lächelnd da. Trump hatte rhetorisch Oberwasser, zumindest von der Zahl seiner Beiträge her. Oft gelang es ihm zudem, Clinton nicht nur zu unterbrechen, sondern auch seine Themen zu setzen. Für eine angehende US-Präsidentin wirkte die Demokratin streckenweise etwas zu phlegamtisch. Ernst wurde der Ton, als Trump feststellte, die Infrastruktur der USA sehe zu großen Teilen aus wie die eines Drittweltlandes, zugleich seien aber Billionensummen – Trump wusste aber nicht genau, wieviele – in den Kriegen des Nahen Ostens ausgegeben worden. Die amtierende Außenministerin konnte gegen diese an sich sachliche Feststellung nicht substantiell argumentieren, sondern nur Fakten beisteuern. Das half ihr aber nicht wesentlich. Das Thema hatte Trump gesetzt.
Die Frage der gesellschaftlichen Gerechtigkeit
Respekt und die Achtung der Gesetze nannte Clinton als wichtiges Ziel zur Verbesserung der Gleichberechtigung, und sie wirkte sehr nachdenklich, fast ein wenig konturlos. Die Politikerin, die ihre Politik verteidigt – das war sie in dieser Frage sehr deutlich. Recht und Ordnung nannte Trump dagegen als den Dreh- und Angelpunkt für die Lösung der Rassenfrage. Der lobte die harte Politik des Bürgermeisters Rudolph Giuliani, und er verteidigte diese Haltung auch nach der Zwischenfrage des Moderators, da sei nicht alles verfassungsgemäß gewesen. Law and Order – das ist seine Art, mit innergesellschaftlichen Problemen aller Art ohne vornehme Zurückhaltung umzugehen, das machte Trump sehr klar. Clinton hielt dagegen. Sie hob zunächst die guten Impulse hervor, die aus Kirchengemeinden, gerade in mehrheitlich schwarzen Wohngebieten, hervorgingen. Sie wünsche sich ein positiveres Bild von der afro-amerikanischen Bevölkerungsgruppe. Da sie sehr zurückhaltend und fast unscharf bliebe, warf ihr Trump Planlosigkeit vor. Oft unterbrach der Republikaner die Demokratin, so auch hier. Aber hier war Clinton kohärent und glaubwürdig. Das konnte man ihr abnehmen. Dieser Punkt ging an sie. Unangnehm wurde es für Donald Trump, als er danach gefragt wurde, warum er unwahre Gerüchte über den Geburtsort des amtierenden Präsidenten über Jahre hinweg verbreitet habe. Trump verteidigte sich wortreich und lenkte danach ab: auf seine poltischen Ziele. Die Frage mit der Geburtsurkunde habe er einfach fallengelassen, weil es wichtigeres gebe. Diese Vorlage ließ sich Clinton nicht nehmen. Sie warf ihm offenen Rassismus vor und verwies auf eine Klage wegen Rassismus, die Trump gegen sich gehabt habe. Dieser Punkt ging ebenfalls an Clinton.
Durch einen Tweet provozierbar?
Clinton eröffnete die Diskussion im Punkt der Sicherheitspolitik mit einem Angriff auf Trump. Russland spioniere die US-Regierung aus, und Trump hege Sypathien für Putin. Es gehe aber um den IS und seine Auslöschung. Trump sei nicht fähig, US-Präsident zu sein. Er sei ein Sicherheitsrisiko. Interessant war Trumps Replik, es ging um die atormare Bewaffnung. Diese, also die Existenz dieser Waffen an sich, nannte Trump die größte Einzelbedrohung weltweit. Deutschland, Japan und andere Länder, die unter dem US-Kernwaffenschirm stünden, müßten für diesen großartigen Service bezahlen. Diese an sich bemerkenswerte und für die Europäer nicht sehr günstige Aussage fiel aber quasi unter den Tisch, denn nun holte Clinton aus. Einen Mann, der sich durch einen Tweet provozieren lasse, könne man nicht an den Roten Knopf für die Atomwaffen lassen. Punkt. Pause. Das war ein schöner Versuch, einen Punkt zu setzen, und in den deutschen und europäischen Medien wurde die Pointe bejubelt, weil es nicht viel mehr bei Clinton zu bejubeln gab. Es sei hier an zwei Dinge erinnert: zur Freigabe von Atomwafffen bedarf es einer qualifizierten Gruppe von Militärs und Poltikern. Das macht der Präsident nicht allein, auch wenn seine Unterschrift unter dem Befehl steht. Und, viel konkreter: die US-Wähler dürften diesen Gag als müde und gewollt empfunden haben. Zumiindest ide in den sogenannten Fly-Over-Staaten, die traditionell eher den Elefanten als den Esel wählen. Durch einen Tweet provozierber? Gefahr eines Nuklearkrieges durch einen durchgeknallten Irren? Dies bild war es ja wohl, das entstehen sollte. Trump, der so Gescholtene, verwies kühl darauf, daß der Einmarsch in den Irak ein großer Fehler gewesen sei, daß aber ein verfrühter Abzug von dort eine Katatstrophe gewesen sei. Dadurch habe sich der IS überhaupt erst gebildet. Die Aufhebung der Iran-Sanktionen nannte er einen Fehler. Dies tat er wortreich, was ihm Kritiker im Nachhinein vorhalten, aber es könnte auch bedeuten, dass es ihm schlichtweg wichtig war. Bemerkenswert klar war das Bekenntnis Trumps zur Nato, er verlangte aber den Einstieg in den Kampf gegen den Islamismus. der ja nun endlich aufgenommen werde. Clinton war hier jedoch auf ihrem Heimaterritorium. Sie betonte ausdrücklich die Bedeutung der Nato und führte aus, die USA würden zu ihrem Wort stehen. Und dieser Appell an die Verläßlichkeit dürte ihr hier den Punkt gebracht haben.
Der Cowboy und die lächelnde Diplomatin
Persönlich wurden die Angriffe gegen Ende. Trump warf Clinton vor, sie habe nicht die Statur, Präsidentin zu sein, nicht das Stehvermögen, sie könne nicht mit Ländern wie Saudi-Arabien oder Japan. Er habe einfach das bessere Gespür, den besseren Instinkt. Clinton konterte, Trump habe Frauen als Schweine bezeichnet und sie ansonsten despektierlich behandelt. Bei den Sympathisanten der Republikaner dürfte das, was Trump hier sagte, nach guter alter Wildwest-Manier besser gezogen haben. Dass das in Europa weithin nicht verstanden wird, ist evident. Der Unterschied zwischen den Kandidaten wurde schließlich bei der Abschlussfrage noch einmal ziemlich deutlich. Clinton schloss mit einem Appell, zur Wahl zu gehen. Donald Trump stellte in Aussicht, er werde Amerika wieder groß machen und kriminelle Migranten abzuschieben. Die staatstragende Politikerin, die sich diese Attitude von Trump auch als negativ vorhalten lassen musste, gegen den tatkräftigen, zupackenden, echten Amerikaner des alten Schlages. Zwei völlig unterschiedliche Kandidaten. Am ehesten war diese Diskussion als ein Patt zu bezeichnen. Das bedeutet, dass in den beiden folgenden Debatten – die nächste ist am 9. Oktober – das Profil schärfer werden muss. Und zwar dasjenige beider Kandidaten. Das letzte Bild der Übertragung zeigte die Familie Clinton: Hillary und auch Bill schüttelten Hände, viele Hände. Die Familie Trump hatte da den Saal schon verlassen. CNN brachte eine Blitzumfrage, nach der 60 Prozent der Wähler Clinton als Sieger sahen, aber nur 25 Prozent Trump. Diese Umfrage mag eine realistische Momentaufnahme sein. Die Wirkung dieses ersten TV-Duell im US-Wahlkampf 2016 wird wohl etwas anders liegen. Die Wahl ist völlig offen.
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