Der unsichtbare Dritte
Obama kommt zu Besuch nach Deutschland, doch der wichtigste Akteur sitzt gar nicht mit am Tisch: China. Das Reich der Mitte verändert die transatlantischen Beziehungen.

Bei Obamas Staatsbesuch in Deutschland wird jenseits der Tagesfragen auch die Zukunft des deutsch-amerikanischen Verhältnisses verhandelt. Viel versprechende Entwicklungen wie die geplante atlantische Freihandelszone zwischen Amerika und der EU, die zu einem beidseitigen Wachstum bis zu zwei Prozent des Bruttonationalprodukts führen könnte, stehen gegenüber Problemen wie unterschiedlichen Sichtweisen auf die Krisenbewältigung der Euro-Zone, Überwachung von Internet und Telekommunikation oder militärische Rolle Europas in der Welt. Zentral für ein Verständnis der heiklen Konstellation ist zu sehen, dass Angela Merkel und Barack Obama am gemeinsamen Tisch nicht allein sind. Ein unsichtbarer Dritter sitzt dabei: Xi Jinping und sein „neues China“. Was heute global vorgeht, ist Folgendes: Durch die neue Multipolarität von Mächten entsteht eine „mittlere Welt“, in der sich nicht nur Zivilisationen, sondern auch Systeme einander angleichen. Demokratische Gesellschaften nivellieren sich eher nach unten, während sich autoritäre Staaten wie China eher öffnen müssen. Obwohl China dabei auch selbst nicht mehr nur von außen, sondern auch von innen verändert wird, scheint seine Umgestaltungskraft auf den Westen derzeit größer als umgekehrt. China verändert derzeit sowohl Amerika wie Deutschland - und zwar sicher von außen, weit mehr noch aber von innen.