„Populismus ist notwendig“
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Die belgische Politikwissenschaftlerin und Post-Marxistin Chantal Mouffe forscht seit Jahrzehnten zu Populismus. Im Interview fordert sie, Europas Rechtspopulisten mit deren eigenen Mitteln zu schlagen.

*The European: Frau Mouffe, Ihnen zufolge befinden sich viele Länder der Europäischen Union in einer Phase der „Post-Politik“. Was bedeutet das?* Mouffe: Dass es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Politik von Mitte-Links- und Mitte-Rechts-Parteien mehr gibt. *The European: Inwiefern?* Mouffe: Mitte-Links- und Mitte-Rechts-Parteien bieten eine Variante derselben Politik an. Mitte-Links-Parteien bieten keine Alternative zur neoliberalen Globalisierung, die von den Mitte-Rechts-Parteien gefördert wird – das Einzige, was sie anbieten, ist, diese ein bisschen humaner zu regeln. Das bewirkt einen Konsens der Mitte, der den Menschen keine echte Wahl zwischen Alternativen lässt. *The European: Was ist die Konsequenz?* Mouffe: Entweder verlieren die Menschen ihr Interesse an Politik – deshalb gibt es so viele Nichtwähler. Oder, was in vielen Ländern passiert, die Menschen neigen dazu, rechtspopulistische Parteien zu wählen. Diese Parteien tun zumindest so, als würden sie eine Alternative bieten: Sie sind gegen das Establishment, sie berücksichtigen die Forderungen der Menschen und sie behaupten, dass sie Letzteren eine Stimme geben. Deshalb denke ich, dass die post-politische Situation für den wachsenden Erfolg rechtspopulistischer Parteien in Europa verantwortlich ist.