Die Währungsunion dauerhaft stabil machen
Die Europäische Währungsunion zeichnet sich dadurch aus, dass es zwar eine gemeinsame Geldpolitik gibt, aber 19 weitgehend unabhängige nationale Finanz- und Wirtschaftspolitiken. Darin unterscheidet sich die Europäische Währungsunion übrigens von anderen föderalen Währungsräumen, wie etwa den Vereinigten Staaten und der Schweiz.

Meine Damen und Herren, auch wenn dies heute im Wesentlichen eine Veranstaltung von Ökonomen ist, darf eines bei der Diskussion über die Währungsunion nicht vergessen werden: Der Euro war von Anfang an auch ein politisches Projekt. Bereits im Jahr 1949 erklärte der französische Ökonom Jacques Rueff, dass das Geld den Weg zur europäischen Integration ebnen würde. Er meinte nämlich: "Europa entsteht über das Geld, oder es entsteht gar nicht." Die Einigung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg war eine politische Vision, um dem Kontinent dauerhaften Frieden und Stabilität zu bringen. Oder um es mit den Worten des großen Europäers und Trägers des Karlspreises Jean Monnet zu sagen, dessen Namen ja auch Ihr Lehrstuhl, lieber Herr Kösters, trägt: "Durch die Schaffung Europas errichten die Europäer das wahre Fundament für den Frieden." Vollzogen hat sich die europäische Integration allerdings eben nicht zuletzt durch das Zusammenwachsen der europäischen Volkswirtschaften. Und das hat für sich betrachtet bemerkenswerte Ergebnisse erzielt. Wirtschaftliche Integration – also der Abbau von Handelsbarrieren und die Harmonisierung von Regulierung – steigert den Wohlstand. Der freie Handel erlaubt, dass sich jeder auf das spezialisiert, was er am besten kann. Größenvorteile können besser genutzt werden. Außerdem führt ein größerer Markt zu mehr Wettbewerb. Und dieser fördert wiederum Innovationskraft und Produktivität. Man kann natürlich nie ganz genau sagen, wie die wirtschaftliche Entwicklung ohne das Zusammenwachsen Europas verlaufen wäre. Die Auswirkungen des gemeinsamen Binnenmarkts auf den Wohlstand der europäischen Länder sind aber auf jeden Fall beträchtlich. Schätzungen zufolge hat die wirtschaftliche Integration die jährliche Wirtschaftsleistung um 5 Prozent bis 25 Prozent gesteigert.[1][2][3] Das sind immerhin 1450 Euro bis 7250 Euro pro Kopf. Die Wirtschafts- und Währungsunion war zweifellos der mutigste Schritt hin zu stärkerer wirtschaftlicher Integration. Und sie war zugleich ein doppeltes Versprechen: das Versprechen stabiler Preise und das Versprechen eines nachhaltig stärkeren Wirtschaftswachstums. Es besteht ein weitgehender Konsens, dass das erste Versprechen bislang eingelöst werden konnte. Mit Blick auf das zweite Versprechen würden das jedoch inzwischen wohl deutlich weniger Menschen behaupten. Zum einen hat der zunehmende wirtschaftliche Wettbewerb über Grenzen hinweg, genauso wie der technische Fortschritt, zu einem Veränderungsdruck geführt, der viele ängstigt. Damit die Vorteile der wirtschaftlichen Integration, aber auch von Innovation, möglichst vielen Menschen zugutekommen, sind deshalb auch die richtigen Rahmenbedingungen erforderlich. So sind beispielsweise flexible Wirtschaftsstrukturen und ein gutes Bildungssystem Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum und dafür, dass die Chancen von technischem Fortschritt und internationalem Handel von vielen genutzt werden können. Zum anderen hat aber die Finanz- und Staatsschuldenkrise den Euroraum in seinen Grundfesten erschüttert: Steuerzahler mussten mit vielen Milliarden Euro für die Verluste von Banken einspringen. Die Arbeitslosigkeit schnellte in einigen Mitgliedsländern auf in der Nachkriegszeit ungekannte Höhen. Europäische und internationale Institutionen wurden faktisch zur Nebenregierung einzelner Staaten. Und die Rettungsschirme erschienen vielen als Einstieg in eine Transferunion, die vor dem Start der Währungsunion noch ausdrücklich ausgeschlossen worden war. Viele empfanden die Probleme, die durch diese Krisen heraufbeschworen wurden, als gewaltig. Manche sahen sie sogar als unlösbar an. So sagten einige Kommentatoren, insbesondere auch auf der anderen Seite des Atlantiks, ein Ende des Euro voraus. Das ist nicht geschehen, und es wäre auch ein Desaster gewesen. Gleichzeitig müssen wir ehrlich sein: Auch in Zukunft kann der Euroraum durch regionale oder sektorale Krisen Belastungsproben ausgesetzt sein. Darüber darf die derzeit gute Wirtschaftslage nicht hinwegtäuschen, denn die ist letztlich auch Folge der sehr lockeren Geldpolitik. Das Niedrigzinsumfeld trägt damit also zu einer trügerischen Ruhe bei, die die wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungsträger dazu verführen kann, die Hände in den Schoss zu legen. Das europäische Haus muss aber auch dann stabil genug sein, wenn es gilt, dem Gegenwind zu trotzen. Um das zu erreichen, muss noch einiges getan werden.