Deutschland hat sich abgeschafft
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Das Votum von Bundestag und Bundesrat über den ESM-Vertrag war historisch. Die Bundesrepublik hat ihre Souveränität in die Hände der EU gelegt, der Bundestag geht in die ewige Sommerpause.

Nun ist es entschieden: Keine Soldaten, keine Offiziere, keine Umerzieher und keine Kopftuchmädchen versetzten Deutschland den Dolchstoß. Es war Deutschland selbst, das sich abschaffte, sachlich, kühl, auf dem Verfahrensweg, wie es neudeutsche Art ist. Am Abend des 29. Juni 2012 erklärten vier Fünftel der bundesdeutschen Parlamentarier Deutschland für beendet. Fünf Minuten vor Mitternacht schloss sich der Bundesrat dem Votum an. Die Geschichte ist durch. Die Welt kann sich anderem zuwenden. Gewiss, da sind Klagen gegen diese administrative Selbstabschaffung namens ESM-Vertrag beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Es wäre indes ein Wunder, wenn sich dadurch am Faktum etwas änderte. Die Bundesrepublik betrat am 29. Juni 2012 nicht nur, was selbst Rainer Brüderle in der Debatte zugestand, „europarechtliches und verfassungsrechtliches Neuland“. Sie hat nicht nur der „weit um sich greifenden Besorgnis in unserer Bevölkerung“ (Wolfgang Schäuble) ein freundliches Achselzucken entgegengehalten, hat in Gestalt von Regierung und Parlament nicht nur „unumkehrbar“ (Angela Merkel) zum Marsch geblasen hin zu einem Endpunkt, der je nach Perspektive „Vereinigte Staaten von Europa“ (Hubertus Heil) oder „europäischer Superstaat“ (Frank Schäffler) heißt. Nein, die Bundesrepublik Deutschland hat ihr Geschick an diesem 29. Juni 2012 in die Hände der EU-Ministerialbürokratie gelegt und so die Verfassung ausgesetzt und die Volkssouveränität suspendiert. Künftig wird man neue Eide schwören.