Rufmord zulasten der deutschen Autoindustrie
Ist das politische Magazin aus dem Norden da etwa böse hereingefallen? Es gibt keinen Autokartell-Skandal, es gibt kein Syndikat der Automobilindustrie, es gibt keine Verschwörung. Da hat nur jemand etwas verwechselt, und ausgerechnet der SPIEGEL fällt darauf herein? „Kartellgate“ nach „Dieselgate“? Nichts davon ist wahr.

Die Nation ist in Aufregung, Seehofer schaltet sich ein und warnt vor Schäden für die gesamte Automobilindustrie, Kauder mahnt einen „reinen Tisch“ an, die ideologischen Feinde des Automobils, die in ihrer Jugend auch gegen Privatbsitz und -eigentum generell waren, schäumen ohnehin. Ein Branchenexperte meint, da müssten wohl 60 Autovorstände ihren Hut nehmen, wenn das wahr wäre. Hat da also wirklich bloß jemand etwas verwechselt? In der Tat, so ist es. Der Jemand, der etwas verwechselt hat, sitzt in der Rechtsabteilung des größten deutschen Autokonzerns. Er hatte wohl – sinnbildlich ausgerückt – die Hosen voll, weil ihm jemand vom Bundeskartellamt gesteckt hat, dass hier eventuell ein Kartellverstoß vorliegen könnte. Die Betonung liegt auf „könnte“! Und wie reagiert darauf ein verantwortungsvoller Jurist? Er sucht nach Absicherung. Und welche Absicherung liefert ihm der Gesetzgeber? Die sogenannte „Bonusregelung“, die kartellrechtliche Selbstanzeige in Verbindung mit der Denunziation aller anderen Beteiligten. Und also schreibt der Denunziant Hunderte Seiten Selbstanzeige mit allen ihm zur Verfügungs stehenden Informationen. Alles Betriebsgeheimnisse. Egal, mit der Anzeige und vollständigen „Offenbarung“ geht der Denunziant straffrei aus und die anderen werden in die Pfanne gehauen, bekommen Milliardenbußen! Ein echter Wettbewerbsvorteil, wenn man Finanzkraft als Wettbewerbsvorteil einordnen will. Das ist das Strickmuster, der Normalfall, das die Kaffeebranche, die Porzellanbranche, die Autoglasbranche schon hinter sich haben. Nur, was war der Irrtum, was ist falsch gelaufen? Der Irrtum des Wolfsburger Hausjuristen und der von ihm eingeschalteten Anwaltskanzlei(en) liegt darin, dass man den Anwendungsbereich des Kartellrechts beziehungsweise des Kartellverbots falsch gesehen hat. Das Kartellrecht enthält Regeln für Marktverhalten oder genauer: Die Vorstellung des Gesetzgebers zielt darauf, dass auf den Märkten die Preise auf „natürliche“ Weise zustande kommen und nicht abgesprochen werden. Anonym zustande gekommene Marktpreise sind gefragt. Und da es generell auf allen Märkten eine Abhängigkeit zwischen der Angebotsmenge und dem Marktpreis gibt, sanktioniert der Gesetzgeber nicht nur die Preisabsprache, sondern auch die Mengenabsprache. Der Gesetzgeber sieht es also als „unnatürlich“ an, wenn die Kaufleute miteinander Reden und untereinander Marktabsprachen treffen.