Ein Frühlingsfest der Volksidee
Wer Israel kritisiert, ist kein Judenfeind, und wer Nicht-Arier halb totdrischt, kein Verbrecher: Wie schön, dass man es als Volksdeutscher gar nicht falsch machen kann.

Nachdem die Frage, ob der Kolumnist Augstein ein lupenreiner Judenfeind, kritischer Judenfreund oder bloß ein „streitbarer“ (M. Müller von Blumencron, „Spiegel online“), dem Aufklärungsethos des Spitzenjournalisten verpflichteter Beobachter der Politik des Staates Israel sei, zur allgemeinen Zufriedenheit beantwortet war: „Das Phänomen, um das es geht, das Phänomen, das bekämpft werden muss, wo immer es sich zeigt, ist der Hass auf Juden, es ist das Ressentiment gegen Juden, es sind die ganzen Vorurteile und Verschwörungstheorien, welche böse Rassisten zusammenbasteln, um sich selbst und die anderen glauben zu machen, dass sie nicht Täter, sondern Opfer seien. Genau das hat aber Jakob Augstein nie getan“ (Claudius Seidl, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“), und man also den Gaza-Streifen ruhig ein „Lager“ nennen darf, ohne dass eine böse Absicht vermutet werden müsste – nachdem das also geklärt war, ging alles wieder seinen regulären deutschen Gang. Ende April des vergangenen Jahres, berichtete die Morgenzeitung vorgestern, spaziert eine deutsche Familie syrischer Abkunft im sachsen-anhaltinischen Eisleben über ein Frühlingsfest. "Die Familie wird, in aller Öffentlichkeit, von drei Neonazis überfallen und, mit Schlagring und Teleskopschlagstock, krankenhausreif geprügelt.":http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sachsen-anhalt-syrische-familie-auf-volksfest-zusammengeschlagen-a-830534.html Noch als die Opfer am Boden liegen, wird mit einem Bierkrug auf sie eingedroschen, Pardon wird nicht gegeben. „Die Angreifer treten der bewusstlosen Frau in den Bauch, sie nehmen ihren Kopf mit beiden Händen und schlagen ihn mehrmals mit Gewalt auf den Boden.“ Der Verlobte der Tochter blutet „aus jeder Pore“, ein Rettungshubschrauber bringt ihn in die Klinik, er liegt tagelang im Koma. Die Mutter geht noch heute an Krücken, sie hat Angst, aus dem Haus zu gehen. Die Familie ist aus Eisleben, wo sie 16 Jahre lebte, fortgezogen.