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> Adoption: Homosexuelle, Familie und Ideologie

Treibt die Wilden in die Höhlen

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Es reicht. Wer heute noch gegen das Adoptionsrecht von Homosexuellen ist, soll sich bitte per Zeitmaschine in die Steinzeit zurückbegeben. Eine Wutrede.

The European

Sukzessive erreichen wir die nächste Stufe der Zivilisation. Ja, richtig gehört: Unsere Entwicklung ist beileibe nicht zu Ende. Der Wilde in manchen von uns, er trommelt noch, das zeigt sich ganz plastisch daran, wie sehr diese Menschen nach wie vor andere einschränken wollen. Getreu dem Motto: „Wo kommen wir da hin, wenn jetzt selbst die Homos Kinder adoptieren dürfen!“ Bei der Debatte geht es um mehr als das Adoptionsrecht homosexueller Paare. Kann ein Kind nur einen Vater, eine Mutter haben? Biologisch, ja. Aber was bedeuten Spermien und Eizellen bei einem sozialen Wesen, wie der Mensch eines ist? 50 Prozent; etwas weniger – etwas mehr? Am Ende stellt sich die große Frage, ob Leben falsch oder richtig sind.

Blut ist mitnichten dicker als Wasser
Die Richter aus Karlsruhe haben glücklicherweise "gegen das Post-Pleistozän und für die Freiheit votiert":http://www.tagesschau.de/inland/urteiladoptionen100.html. Der Holzhammer fiel und mit ihm einmal mehr eines dieser uralten Tabus unserer Gesellschaft: Ja, ein Kind kann zwei Mütter, kann zwei Väter haben. Das ist in der real existierenden Menschheitsgeschichte ohnehin schon immer so, war bislang nur nicht offiziell. Das BVerfG hat darum mehr getan, als dem Gesetzgeber erneut seine Arbeit abzunehmen. Egal, wer wo wann mit wem und was: herzlich willkommen im 21. Jahrhundert. Es geht nämlich erst einmal gar nicht darum, ob die Eltern leiblich, Mann oder Frau, schwul oder lesbisch sind. Schon immer hatten Mädchen und Jungen mehrere Eltern. Nur wurden sie belogen, wenn „Papa“ nicht der Mann war, der Mama einst mehr oder weniger beglückte. Oder man hat die Kinder verjagt und „Bastard“ hinterhergerufen. Wie oft war die Oma oder das Kindermädchen die eigentliche weil soziale Mama, wie oft der Vater eine Schimäre? Heute haben diese „Unformen“ längst Form angenommen und werden Patchwork genannt. Da haben Kinder mehrere Väter, Halbschwestern oder Adoptivbrüder. Und warum auch nicht?! Wir müssen endlich damit aufhören, so zu tun, als sei die biologische Familie ein Wert an sich. Das ist sie nicht. Nirgends sonst tut sich der Mensch so oft so schreckliche Sachen an wie im Kreis der Verwandten. Blut ist mitnichten dicker als Wasser – wenn überhaupt sind es enge soziale Bindungen.
Familie kennt kein richtig und kein falsch
Das Adoptionsrecht darf deshalb nicht davon abhängen, welches Geschlecht die neuen Eltern haben, sondern nur davon, ob sie einem Kind, das KEINE Eltern hat, eine liebevolle und wirtschaftlich gescheite Zukunft bieten können – nebenbei bestes Argument gegen die Lehre der Biologie. Alles andere ist pure Ideologie. Ich bin sicher, ein Kind, das bei (mindestens?) zwei Vätern oder Müttern aufwächst und geliebt wird, "findet nichts komisch daran und liebt einfach zurück":http://www.sueddeutsche.de/leben/von-kindern-die-bei-homosexuellen-paaren-aufwachsen-hinter-dem-horizont-gehts-weiter-1.1604616. Und wenn die übrigen Kinder in der Schule sagen, es sei nicht normal, kommt das eben nicht von den Kindern selbst, sondern von ihren Eltern, der Gesellschaft und ihren ganzen No-gos und Dogmen. Überdies ärgern sich Kinder genauso wegen komischer Hosen und uncoolen Schuhen. Und den Klamottengeschmack schreibt der Gesetzgeber ja auch nicht vor. Außerdem, wenn alle komische Hosen tragen, dann heißt das Mode; ach Sie wissen schon. Kurz und knapp: Wir sehen eine weitere krude Vorstellung hinweggefegt. Die Schwulen und Lesben leisten in letzter Konsequenz einen Dienst am ganzen einig Volk und Vaterland. Denn früher oder später wird uns hoffentlich allen klar werden, was für ein Blödsinn die Diskussionen um die „klassische Familie“ sind. Beziehungsweise: Wir werden uns vielleicht endlich eingestehen, was wir längst wissen: Die Praxis von Liebe, Partnerschaften und Familie kennt kein richtig und kein falsch.
Der gute Staat muss frei von Dogmen sein
Das soll man nicht missverstehen: Gratulation an Frau und Mann, die zusammen bis ans Ende ihrer Tage mit ihren eigenen Kindern glücklich werden. Aber wir dürfen doch bitte schön nicht so tun, als sei DAS die einzig wahre Wahrheit, als gäbe es all die Affären, Wünsche, Ängste, Trauer und Depression da draußen nicht, nur weil es diese Dogmen gibt und Menschen glauben, ihnen gerecht werden zu müssen. Nun sind gesellschaftliche Dogmen das eine und Gesetze das andere. Seit jeher gängeln manche Leute ihre Zeitgenossen, weil sie glauben, sie wüssten was richtig und was falsch ist. Sogar noch meinen, sie dürften ob ihrer moralischen Überlegenheit für andere entscheiden. Egal, was für ein Schwachsinn das ist, was für ein Verbrechen – unter dem Deckmantel der „Guten Sache“ treiben sie es mit Inbrunst und tragen Scheuklappen größer als Mammutohren. Der gute Staat muss frei von ihnen sein. Im Fall des Adoptionsrechts (und der nun unweigerlich folgenden echten Gleichstellung von Schwulen und Lesben bei der Ehe) fallen die Gesinnungs-Übeltäter klar am rechtskonservativen Rand auf. Sie tummeln sich prinzipiell aber überall im politischen und ideologischen Spektrum – und gerade wenn in einer Sache „Konsens“ besteht, kann man sie leicht übersehen.
Der wahre Wilde lässt grüßen
Eine Entwicklung weg davon geht nur Schritt für Schritt. Langsam klettern wir immer wieder ein bisschen auf der zivilisatorischen Treppe empor. Letztlich lautet die Frage: Schaffen wir es, in einem System zusammenzuleben, das wirklich nur da sanktioniert, wo anderen (und im manchen Fällen man selbst) Schaden zugefügt wird und Menschen vom Staat nur gleich und nicht gleicher behandelt werden? Im Grunde glauben nämlich all die Ideologen das Gegenteil: Der Mensch kann ohne (ihre) leitende Hand nicht leben, Freiheit darf man ihm nicht anvertrauen. „Das ist das Ende der Gesellschaft“, schreien sie deshalb im Fall der Adoptionen, der Homo-Ehen, der polyamoren Beziehungen und dem ganzen anderen ausgemachten „Sittenverfall“. Der wahre Wilde lässt grüßen. Treiben wir ihn mutig weiter zurück in die Höhlen, aus denen er einst gekommen ist.
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