Außer Rand und Hand
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Der Markt wird alles richten? Von wegen! Dass das nicht stimmt, wissen selbst die Ameisen. Eine evolutionsbiologische Deutung.

Das Gemeinwohl haben wir selten im Sinn. Schon der Ökonom Adam Smith wusste, dass es uns meistens um das eigene Interesse geht. Trotzdem funktionieren die komplexen Systeme von Wirtschaft und Gesellschaft oftmals ohne Interventionen der Politik. Laut Smith ist dafür die "„unsichtbare Hand“":http://www.theeuropean.de/alexander-goerlach/5378-okonomie-von-gut-und-bose verantwortlich: Indem wir unseren Eigeninteressen nachgehen, fördern wir ungewollt Ziele, die auf die Gemeinschaft einzahlen. Smiths Idee basiert auf zwei zentralen Thesen. Erstens: Die Wirtschaft ist ein sich selbst regulierendes System. Zweitens: Es ist nicht notwendig, dass der Einzelne das Gemeinwohl explizit im Sinn hat. Dieses Phänomen lässt sich nicht nur für unsere Gesellschaft untersuchen, sondern für jedes durch die Evolution hervorgebrachte komplexe System. Ein Blick in die Tierwelt kann uns dabei helfen, die Idee der „unsichtbaren Hand“ neu zu definieren. Gemeinsam mit dem Ökonomen John Gowdy will ich dieses Projekt angehen. Lassen Sie uns mit einer simplen Feststellung beginnen: Damit eine Gesellschaft gut funktioniert, müssen ihre Mitglieder normalerweise so handeln, dass ihr wichtigstes Ziel nicht bloß die Maximierung des eigenen Vorteils ist. Wenn evolutionäre Auslese in der Tierwelt nicht dem Überleben einer Gruppe insgesamt nutzt, mündet sie in der Sackgasse. Die Gruppe wird geschwächt und funktioniert nicht mehr als autarke Einheit. Trotzdem sind Ökonomen der Meinung, dass die Maximierung eigener Interessen eine Gesellschaft robuster macht und die erste These von Smith bestätigt. Aus der Biologie wissen wir aber: Meistens ist das Gegenteil der Fall. Damit eine Gruppe von der Evolution profitieren kann, muss Auslese auf mehreren parallelen Ebenen vonstatten gehen. Was gut für mich ist, kann unter Umständen schädlich für meine Familie sein. Was meiner Familie hilft, kann dem Klan schaden. Was vorteilhaft für den Klan ist, kann die Nation schwächen. Und was der Nation hilft, "kann das globale Dorf bedrohen.":http://www.theeuropean.de/martin-rees/5586-faszination-weltuntergang Veränderungen auf der untersten Ebene können also dazu führen, dass die übergeordneten gesellschaftlichen Ebenen geschwächt werden. Oder, anders ausgedrückt: Probleme auf höherer Ebene verlangen auch nach Anpassungen auf diesen Ebenen und nicht lediglich auf dem Level des Einzelnen. Wenn diese mehrstufige Auslese eintritt, ist auch die erste These von Smith erfüllt: Die Gruppe reguliert sich selbst. Die „unsichtbare Hand“ fungiert also gewissermaßen als Filter, der aus der Summe aller möglichen evolutionären Entwicklungen diejenigen herausfiltert, welche langfristig zu autarken und stabilen Systemen führen. Das ist oftmals nur ein kleiner Bruchteil aller Möglichkeiten.