„Mit sprachlichen Vereinfachungen tappt man in eine Falle“
BRIC, G8 oder PIGS: Die Finanzwelt kennt Dutzende Abkürzungen dieser Art. Wie sinnvoll diese sind und was sie mit Großwildjagd gemein haben, erklärt Oliver Borgis im Gespräch mit Alexander Görlach.

*Alexander Görlach*: Die Einteilung der Welt in Wirtschaftszonen ist chic. Abkürzungen wie „BRIC“ künden davon. Dabei liegen die bezeichneten Länder nicht nebeneinander, sondern sind bisweilen durch Ozeane getrennt. Kann man mit solchen Modellen bzw. Konstrukten überhaupt konkret etwas anfangen? *Oliver Borgis*: Solche Abkürzungen sind meist von Marketing-Gedanken getrieben. Vor allem Investitionen in Schwellenländer werden auf Hochglanzprospekten mit „BRIC“, „MINT“ oder „Next11“ umschrieben und weisen auf die Erfolgsgeschichte der Wachstumsländer und darauf zugeschnittene Finanzprodukte hin. Gemeinsam haben diese Länder einzig die in den Augen der Erfinder der Begriffe ähnlich einzuschätzenden Perspektiven, was Wirtschaftswachstum und Bedeutung für die Weltwirtschaft angeht. Wenn die Werbetrommel genug Widerhall gefunden hat, überdauern diese Etiketten länger, als die Eingruppierung selber gültig bleibt, bis also die Unterschiede der einzelnen Länder deutlich hervortreten. *Görlach*: „BRIC“ beispielsweise ist eine Erfindung von Goldman Sachs. Sollten Banken bei der Benennung solcher Phänomene anderen Akteuren den Vortritt lassen oder sind solche Labels generell unseriös? *Borgis*: Großwildjäger haben einst die am schwersten zu jagenden Tiere die „Big Five“ getauft. Auch für Reisende, die sich ethisch nicht auf den Spuren von Wildtierjägern sehen mögen, hat dieser Begriff eine enorme Anziehungskraft. Ob dies tatsächlich die für ihn interessantesten Großwildtiere sind, entscheidet jeder für sich selbst. Der Einfluss des Labels auf die Motivation für die Fotosafari ist aber sicher groß. Ein solches Etikett gewinnt an Bedeutung durch Verbreitung in Presse, Literatur und Alltagsgebrauch. So ist es auch in der Finanzwirtschaft nicht verwerflich, einen Begriff zu prägen und ihn werblich zu nutzen. Bevor man ihn aber leichtfertig übernimmt, sollte man darauf achten, wer den Begriff erfunden und wer ihn verbreitet hat.