Nach heftigen öffentlichen Debatten hat das griechische Parlament in der vergangenen Woche der mittelfristigen Finanzplanung und einem umfassenden Privatisierungsprogramm zugestimmt. Daraufhin haben die EU-Finanzminister am Sonntag zugunsten der Auszahlung des EU-Anteils an der fünften Kredittranche an Griechenland entschieden. Schließlich haben Frankreich und Deutschland die Umrisse einer freiwilligen Beteiligung der privaten Banken und Versicherungsgesellschaften an einem zweiten griechischen Rettungspaket ausgehandelt.
Es fehlt eine langfristige Perspektive
So weit, so gut? Keineswegs! Die deutsche Finanzwirtschaft hat lediglich zugesagt, als Eigenbeitrag zum zweiten Paket griechische Anleihen im Wert von 3,2 Mrd. Euro zu refinanzieren, sofern diese bis 2014 auslaufen. Davon kommen allerdings 1,2 Mrd. Euro von Kreditinstituten, die im Wesentlichen von staatlicher Alimentierung leben. Zudem kommt die deutsche Beteiligung ein Jahr zu spät.
Weil sich Deutsche Bank, Commerzbank und Landesbanken vielerorts von ihren Griechenlandanleihen getrennt haben, gleicht die deutsche Auseinandersetzung darüber eher einer Phantomdiskussion. Hinzu kommt die anhaltende Unsicherheit, welche Beteiligungssummen durch ähnliche Zusagen aus anderen Ländern wie Frankreich, Italien und vor allem von griechischen Finanzgesellschaften angeboten werden.
Dagegen bestätigen die politischen Entwicklungen der vergangenen Wochen in Griechenland die Befürchtungen, die man realistischerweise haben muss angesichts eines klientelistisch verwahrlosten politischen Systems. Der Versuch von Premierminister Papandreou, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, ist abermals an der Engstirnigkeit der Oppositionsparteien gescheitert.
Angesichts dieser Ausgangslage ergibt sich eine zentrale Herausforderung. Wie sieht eine wirtschaftspolitische Perspektive für Griechenland aus, die über die Lösung akuter Budget-Probleme auch auf Wachstum, Investitionen und Beschäftigung hinauslaufen könnte?
Allmählich dämmert es den Verantwortlichen beim IWF in Washington, der EZB in Frankfurt und der Brüsseler EU-Kommission, dass Griechenland dringend ein Konjunkturprogramm und Investitionsperspektiven braucht. Deshalb wird nun – mit einem Jahr Verzögerung allerdings – über das Vorziehen von EU-Mitteln aus den Strukturfonds (15 Milliarden Euro) nachgedacht, die dem Land bis 2013 zustehen. Hierzu gibt es erste Hinweise auf einen sogenannten Herkules-Plan, dessen Formulierung und Finanzierungsarchitektur gegenwärtig in Brüssel ausgearbeitet wird.
Es geht um Geld, nicht die Gesellschaft
Schließlich haben die sozialen Konsequenzen der griechischen Misere und die gewaltsamen Proteste der vergangenen Woche in Athen gezeigt, dass eine Erweiterung des Blickwinkels absolut notwendig ist. Aus der Sicht von Finanzinstituten, Rating-Agenturen und Spekulanten geht es primär um die Sicherstellung von Anleiheinvestitionen in Griechenland. In diesem Tunnelblick wird allerdings geflissentlich außer Acht gelassen, dass die Sicherstellung der griechischen Demokratie und gesellschaftlichen Stabilität akut gefährdet sind!
So kündigte dieser Tage Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker an, dass Griechenland eine Zeit lang einen Verlust seiner Souveränität hinnehmen müsste. Solche Aussagen legen vielen Griechen nahe, dass ihr Land in ein Protektorat verwandelt wird. Öffentliche Belehrungen wie von Herrn Juncker sind keineswegs dazu angetan, Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Papandreou-Regierung zurückzugewinnen. Und das europäische Ansehen wird damit ebenso nachhaltig geschädigt; nicht nur in Athen.
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