„Noch so eine Frage und du kriegst was auf die Fresse!“ – ich hatte nicht etwa einen Rocker gefragt, ob er mir seine Kutte schenkt, sondern nur einen Zeugen, ob er schon einmal etwas zusammen mit dem Angeklagten und dessen Freundin unternommen habe.
Trotz der wilden Antwort blieb eine Reaktion der Vorsitzenden aus. Na ja, verständlich. Ich möchte ihr persönlich ja nichts Böses unterstellen, aber es gibt wohl viele Menschen, die nichts dagegen hätten, wenn so ein Strafverteidiger „was auf die Fresse“ bekäme.
„Wie kannst du solche Schweine vertreten?“ Das hat jeder Verteidiger schon gehört – und nicht nur von Laien. „Damit tust du dir keinen Gefallen“, hörte ich auch schon von einem wohlmeinenden Juristen. Die Antwort, „aber vielleicht der Gerechtigkeit“, quittierte er mit einem Kopfschütteln.
Vermutlich hätte selbst ein Henker mehr Sympathie zu erwarten, als ein Strafverteidiger. Der Henker macht die Welt ja besser, oder? Räumt ein paar kriminelle Schweine weg. Strafverteidiger tanzen doch mit denen.
Mit sauberen Händen
Als junger Anwalt bekam ich das Mandat eines Kleindealers. Da mich an dem Gericht noch niemand kannte, hielt ich es für ein Gebot der Höflichkeit, den Richter aufzusuchen, um mich vorzustellen. Zur Begrüßung wollte ich ihm die Hand reichen, griff aber verdutzt ins Leere, weil er seine Hände schnell hinter seinem Rücken versteckte.
Ich versuchte es mit einem Scherz und sagte ihm, dass die Hand frisch gewaschen wäre. Daraufhin trafen mich ein ungnädiger Blick und die Worte: „Ich gebe keinem die Hand, der solche Typen vertritt.“ Wohlgemerkt ein Richter. Nicht, dass er sich selbst als befangen abgelehnt hätte, nein, er war geradezu darauf erpicht, „solche Typen“ zu verurteilen.
Später erfuhr ich, dass seine Tochter drogenabhängig war. Menschlich verständlich, dass er Hass auf Dealer hegte. Professionell allerdings unerträglich, unreflektiert und damit nicht geeignet, den Angeklagten richtig zu be- und verurteilen. Immerhin wusste ich nun, was ich als Verteidiger an Freundlichkeiten zu erwarten hätte. Aber das war noch harmlos.
Konsequent im Recht
Irgendwann gewöhnt man sich daran, wegen des Berufs als Arschloch angesehen zu werden, Drohmails zu bekommen, im Internet verdächtigt zu werden auf Kinder zu stehen, weil man einen „Sexopa“ oder den „Psycho-Sextäter“ verteidigt.
Jeder Verteidiger – und die meisten Richter und Staatsanwälte – wissen, dass ein gerechtes Urteil nur möglich ist, wenn der Angeklagte konsequent verteidigt wird. Das bedeutet aber auch, dass ein Richter, der merkwürdige Sprüche macht, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden muss. Das bedeutet aber auch, dass Beweisanträge gestellt werden, dass die Zeugen und auch Opfer intensiv befragt werden müssen, auch wenn ihnen das nicht gefällt.
Wenn ein Prozess sich durch Verteidiger-Anträge verlängert, wird immer die Verteidigung beschuldigt, das Verfahren zu verzögern. Tatsächlich ist es aber doch so, dass ein erfolgreicher Antrag nur zeigt, dass Staatsanwaltschaft und Gericht vorher etwas übersehen haben. Warum richtet sich der Verzögerungsvorwuf dann nicht gegen die?
Das Arschloch an Ihrer Seite
Wenn ich jetzt verrate, dass es mir und meinen Kollegen sogar Freude macht, Angeklagten beizustehen, sie vor menschenunwürdiger Behandlung zu schützen, wackelige Anklagen zu zerlegen und lügenden Zeugen ihre Lügen nachzuweisen. Dass es Spaß macht, undichte Stellen in einer Indizienkette aufzudecken, Vorurteile zu widerlegen und vermeintlich sichere Beweise zu entkräften, wird das vermutlich manchen in seiner Einschätzung „Arschloch“ bestärken.
Aber glauben Sie mir, wenn Sie der Angeklagte sind – und das kann schneller gehen, als Sie meinen – werden Sie froh sein, wenn so ein „Arschloch“ an Ihrer Seite ist.