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Gesellschaft & Kultur > Zukunftstechnologien - im Koalitionsvertrag der Ampel ein blinder Fleck

In Sachen Zukunftstechnologien enttäuscht der Koalitionsvertrag

Man hätte erwarten können, dass sich der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP auf die Zukunftssicherung unseres Landes konzentriert. Doch analysiert man das Papier auf diese Thema macht sich sehr schnell Ernüchterung breit. Von Siegfried Balleis.

Koalitionsvertrag der Ampel, Foto: picture alliance / agrarmotive | Klaus-Dieter Esser
Koalitionsvertrag der Ampel, Foto: picture alliance / agrarmotive | Klaus-Dieter Esser

Im Juni 2021 wurde der neueste Bericht des IMD World Competitiveness Center mit Sitz im schweizerischen Lausanne zur Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften veröffentlicht. In diesem „World Competitiveness Ranking“ nimmt die Bundesrepublik Deutschland inzwischen einen bescheidenen 15. Platz unter insgesamt 64 untersuchten Volkswirtschaften ein. Deutschland rangiert somit weit hinter der Schweiz, Schweden, Dänemark um nur einige europäische Länder zu nennen. Deutschland liegt inzwischen aber auch weit hinter Ländern wie den Vereinigten Staaten von Amerika oder Singapur.

Man hätte somit zu recht erwarten können, dass sich der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP auf die Zukunftssicherung unseres Landes konzentriert. Schließlich haben an der Erstellung dieses Koalitionsvertrags 300 Fachpolitiker aus den Koalitionsparteien mitgewirkt. D.h. eine wichtige quantitative Voraussetzung für das Zustandekommen eines guten Vertrags war in Form des Kriteriums der „Intelligenz der vielen“ gegeben. Leider ist es aber nicht so, dass die Zukunftstechnologien im Koalitionsvertrag eine herausragende Rolle spielen.

Analysiert man nämlich den Koalitionsvertrag in dieser Hinsicht, so macht sich sehr schnell Ernüchterung breit. So bringt es der Koalitionsvertrag doch tatsächlich fertig, dass so wichtige Zukunftstechnologien wie die Nanotechnologie und die Gentechnologie mit keinem einzigen Wort erwähnt werden. Gerade die Nanotechnologie ist heute bereits im Wettbewerb außerordentlich wichtig und findet zunehmend in den unterschiedlichsten technischen Disziplinen, namentlich in der Chemie oder auch der Halbleiterphysik Eingang.

Eine weitere Fehlanzeige im Koalitionsvertrag gibt es auch für die sowohl in wissenschaftlicher als auch ethischer Hinsicht bedeutsame Herausforderung für den Einsatz der Genschere CRISPR/Cas. Diese Technologie verspricht beispielsweise neue Möglichkeiten gegen Aids, Krebs oder auch einige Erbkrankheiten.

Das gleiche Schicksal der Nichterwähnung im Koalitionsvertrag erleiden auch die Themen wie digitale Gesundheit, neue Werkstoffe, 3-D-Druck.

Gerade im Bereich Digital Health wurden aber in der vergangenen Legislaturperiode enorme Fortschritte erzielt, wie beispielsweise der Schaffung eines neuen Zugangs zu digitalen Gesundheitsanwendungen, beziehungsweise das digitale Rezept.

Der neue Koalitionsvertrag schweigt aber auch im Hinblick auf die Herausforderungen durch Kryptowährungen wie beispielsweise Bitcoin, die mit keinem einzigen Wort erwähnt werden.

Nicht ganz so hart trifft es weitere Zukunftstechnologien die zumindest erwähnt werden. Das Privileg der zumindest einmaligen Erwähnung kommt dem weiten Feld der künstlichen Intelligenz zu. Dies geschieht aber nur im Zusammenhang einer Aufzählung mit mehreren anderen Technologien, bar jeglichen programmatischen Anspruchs. Übersehen wird dabei allerdings auch, dass uns die immer bedeutender werdenden Anwendungen dieser Technologie In die Lage versetzen immer mehr Prozesse zu automatisieren. Grund dafür ist die dramatisch zunehmende Geschwindigkeit der Datenverarbeitung.

Auch die große Chancentechnologie Robotik schafft es nur einmal im Rahmen einer Aufzählung mit der KI genannt zu werden. Gerade die Robotik wird aber in Zukunft nicht nur im Bereich der industriellen Produktion, sondern beispielsweise auch bei menschlichen Dienstleistungen, wie Pflege, eine immer größere Bedeutung einnehmen.

Beim Thema autonomes Fahren wird zumindest der Anspruch erhoben, Deutschland zum Innovationsstandort in dieser Technologie zu machen. Angesichts der Tatsache, dass diese Technologie für den in Deutschland dominanten Wirtschaftszweig, nämlich der Automobilindustrie von strategischer, wenn nicht sogar von existenzieller Bedeutung ist, ist das aber das mindeste was man an visionärer Kraft erwarten kann.

Weitere Zukunftstechnologien wie beispielsweise die Biotechnologie, die Blockchain-Technologie oder die Quantentechnologie schaffen es zwar zu einer mehrfachen Erwähnung, allerdings in der Regel auch nur im Rahmen von Aufzählungen ohne weitergehende programmatische Ansprüche. Diese Kritik trifft vor allem auf den Bereich der Quantentechnologie zu. Bei der Entwicklung der Quantencomputer befindet sich Deutschland und Europa in einem harten Wettbewerb zu den USA und zu China. Quantencomputer werden die heutigen Supercomputer an Schnelligkeit um ein gigantisches Vielfaches übertreffen und wer über diese schnellen Rechner verfügt, hat in Zukunft weltweit einen unschätzbaren Wettbewerbsvorteil.

Um die Liste der Zukunftstechnologien abzuschließen, kann festgestellt werden, dass es einzig und allein dem Thema Luft- und Raumfahrt gelungen ist, ein eigenständiges Unterkapitel zu erhalten.

Einen weiteren „Blinden Fleck“ im Koalitionsvertrag kann man für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen feststellen. Diese Einrichtungen, die mit Milliarden-Budgets vom Bund ausgestattet werden, tauchen nur pauschal auf. Dabei geht es im Wesentlichen darum, eine regional ausgewogene Verteilung dieser Institute im ganzen Land herzustellen. Keine konkrete Erwähnung findet dagegen die Fraunhofer-Gesellschaft, die sich extrem stark in der anwendungsorientierten Forschung engagiert.

Keine Erwähnung findet die Max-Planck-Gesellschaft und auch die Leibniz Gemeinschaft findet keine Erwähnung.

Einzig die Helmholtz-Gemeinschaft hat es mit der Zusage für ein neues Zentrum für Altersforschung in den Koalitionsvertrag geschafft.

Die Nichrerwähnung der Max-Planck-Gesellschaft im Koalitionsvertrag ist aber umso peinlicher, da es gerade den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus deren Instituten in den vergangenen Jahren gelungen ist, eine ganze Reihe von Nobelpreisen nach Deutschland zu holen.

Bei dem Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften geht es aber nicht nur um ökonomische Effizienz sondern auch um Regierungseffizienz.

Untersucht man den Koalitionsvertrag unter diesem Aspekt, so wird man schon leichter fündig. So wird der Anspruch eines „modernen Staates“ und einer „Verwaltungsmodernisierung“ erhoben.

Weiter ist davon die Rede dass man Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen möchte. Schließlich ist auch davon die Rede, dass man einen „digitalen Staat“ und eine „digitale Verwaltung“ anstrebe.

Was allerdings fehlt, ist die Tatsache, dass die neue Bundesregierung offensichtlich immer noch nicht bereit ist, den Art. 91d des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland umzusetzen.

Dort heißt es wörtlich: „Bund und Länder können zur Feststellung und Förderung der Leistungsfähigkeit ihrer Verwaltungen Vergleichsstudien durchführen und die Ergebnisse veröffentlichen“.

Während auf kommunaler Ebene derartige Benchmarks inzwischen sehr häufig angewendet werden, sind auf der Bundesebene derartige Leistungsvergleiche trotz der Mahnungen des Bundesrechnungshofs nie wirklich konsequent angegangen worden. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, gerade im Hinblick auf den effizienten Mitteleinsatz der Steuereinnahmen der öffentlichen Hand.

Es ist kaum zu erwarten, dass die die Koalitionsfraktionen tragenden Parteien diese Defizite vor der Unterschrift des Koalitionsvertrags noch beseitigen werden.

Die Hoffnung ruht somit auf der Ministerialbürokratie, die letztlich für die Konkretisierung und Umsetzung der Politik zuständig ist.

In diesem Fall muss man den Satz „Politiker kommen und gehen - die Verwaltung bleibt bestehen“ nicht als Bedrohung sondern als Hoffnung begreifen.

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