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Gesellschaft & Kultur > Was hinter der Forderung von Friedrich Merz steckt

Was will Friedrich Merz?

Der gescheiterte Kandidat um den CDU-Vorsitz verstörte sogar etliche Anhänger mit seiner Idee, ins Kabinett seiner langjährigen Rivalin Angela Merkel einzutreten. Doch dazu gibt es eine Vorgeschichte.

Freundliche Geste oder Kraftprobe? Armin Laschet und Friedrich Merz nach der Wahl auf dem CDU-Parteitag. Foto: Picture Alliance
Freundliche Geste oder Kraftprobe? Armin Laschet und Friedrich Merz nach der Wahl auf dem CDU-Parteitag. Foto: Picture Alliance

Die Reaktionen von Friedrich Merz auf seine Niederlage beim CDU-Wahlparteitag am Samstag stürzten seine Partei in ein Wechselbad der Gefühle. Er beglückwünschte zunächst dem Sieger Armin Laschet auf der Bühne. Es sei eine "enorm anstrengende Zeit für uns alle zu bestehen", sagt er mit Blick auf das Wahljahr. Kurz darauf twittert der Unterlegene auch noch: „Ich gratuliere dem neuen #CDU-Vorsitzenden @ArminLaschet und möchte Mitgliedern und Delegierten herzlich für die Unterstützung danken. Jetzt kommt es darauf an, dass wir alle gemeinsam im Team arbeiten für eine moderne und erkennbare CDU, die begeistert und Wahlen gewinnt.“

Aber für das CDU-Präsidium tritt Merz anderthalb Stunden später nicht an, obwohl ihn unter anderem Carsten Linnemann, Fraktionsvize und Chef des Wirtschaftsflügels der Partei, dazu aufgerufen hat. Die CDU könne „nicht nur von Männern aus #NRW geführt werden“, begründet Merz wenig später im Kurznachrichtendienst seine Entscheidung. „Ins Präsidium wären bei meiner Bewerbung noch weniger #Frauen gewählt worden. Ich habe mich deshalb entschlossen, zugunsten der Frauen auf eine Kandidatur zu verzichten.“ Er habe, so lautet der nächste Tweet, dem neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet „aber angeboten, in die jetzige #Bundesregierung einzutreten und das Bundeswirtschaftsministerium zu übernehmen“.

Söder schaltete sich ein

Nur wenige Minuten später lässt Merkel über Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilen, sie plane keine Regierungsumbildung. Und auch Laschet weist im Laufe des Tages mehrfach darauf hin, dass er gerade zum Parteivorsitzenden gewählt sei, jedoch, so der unausgesprochene Zusatz, dadurch keinen Zugriff auf die Kabinettsposten habe. Später assistiert ungefragt CSU-Chef Markus Söder: „Das Bundeskabinett sollte in dieser schweren Zeit nicht umgebildet werden.“

Dieser Vorstoß von Merz sorgt seitdem recht einvernehmlich für Kopfschütteln: Wollte Merz den gerade gewählten Parteichef in einen Machtkampf mit Bundeskanzlerin Angela Merkel drängen, von der bekannt ist, dass sie mit Merz nicht kann und sicher nicht seinetwegen ihren langjährigen Vertrauten Peter Altmaier aus dem Kabinett wirft? Oder formulierte er nach seiner Niederlage und nach dem Ende seiner Hoffnung auf die Kandidatur fürs Kanzleramt eine Maximalforderung, von der er wusste, dass Laschet sie ablehnen und ihm damit einen sicheren Ausstieg aus der Politik eröffnen würde? Entweder Platz 1 oder gar nicht.

Die forsche Bewerbung des Mannes, der gerade die Wahl zum Parteichef verloren hat, für das Amt des Wirtschaftsministers wirkt jedenfalls abwegig. Doch aus heiterem Himmel kam sie offenkundig nicht. Angeblich wurde Merz genau dieses Amt vor nicht einmal einem Jahr angeboten.

Ein Angebot von Kramp-Karrenbauer

Die Geschichte, die in der Umgebung des Sauerländers zu hören ist, geht so: Im Februar 2020 sei Merz von der bisherigen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer der Eintritt ins Kabinett Merkel als Wirtschaftsminister angeboten worden. Sie habe auch im Namen ihrer fünf Stellvertreter (zu ihnen gehörte Laschet) gesprochen und im Gegenzug verlangt, dass Merz auf seine Kandidatur für den Parteivorsatz verzichte. Er sollte den Weg frei machen für die „Team-Lösung“, also für Laschet und dessen Partner Jens Spahn. (Der Gesundheitsminister wurde am Samstag auch prompt zu einem der Vizevorsitzenden gewählt, allerdings mit schwachem Ergebnis, nachdem er eine Aussprache nach der Vorstellung der drei Kandidaten für eine Werbung für Laschet und sich genutzt hatte – das wurde in den Lagern von Merz wie Norbert Röttgen, dem dritten Bewerber, als „Foul“ empfunden.)

Merz habe bei dem Gespräch im Februar durchaus Bereitschaft für diese Lösung signalisiert. Allerdings habe er gezweifelt, dass Merkel zustimmen würde, und sei nicht durch das Argument überzeugt worden, wenn das die CDU-Vorstandsriege geschlossen fordere, würde die Kanzlerin nachgeben. Und in der Tat habe Merkel einen solchen Kompromiss, der die Entlassung von Altmaier vorausgesetzt hätte, kurz darauf intern strikt abgelehnt.

Die Kanzlerin lehnte schon im Februar ab

Nachfragen des TheEuropean in der Umgebung von Kramp-Karrenbauer wurden am Samstag nicht beantwortet. Allerdings findet sich in der „Süddeutschen Zeitung“ in einem Stück über Kramp-Karrenbauer eine Passage, die diese Geschichte zu bestätigen scheint. Die Kanzlerin habe ihren Anteil daran, dass AKK es nicht geschafft habe, die Team-Lösung durchzusetzen, heißt es in einem eine Woche vor dem Parteitag erschienen Artikel: „Als es darum ging, Friedrich Merz einen Ministerposten zu verschaffen, um seine eigenständige Bewerbung zu verhindern, hat sich Merkel gesperrt. Wäre Merz ins Kabinett gegangen? ‚Meinem Eindruck nach ja‘, sagt Kramp-Karrenbauer.“

Der Vorschlag von Merz, Wirtschaftsminister unter Merkel zu werden, kam also nicht als Blindbewerbung, sondern hatte eine sehr konkrete Vorgeschichte. Doch die Reaktion der Kanzlerin war nicht anders als ein knappes Jahr zuvor: Sie lehnte kurz und knapp ab.

Unverständliche Fehlkalkulation

Das allerdings hätte Merz erwarten müssen. Wie kann sich ein kluger Kopf dermaßen verkalkulieren? Wenn Merkel seinen Eintritt in ihr Kabinett schon zu einem Zeitpunkt blockierte, als er noch einen Preis dafür anbieten konnte, nämlich seinen Verzicht auf die Kandidatur für den Vorsitz, warum sollte sie jetzt, da er gerade als Verlierer vom Platz gegangen war, plötzlich zustimmen? Merkel und Merz sind seit fast 20 Jahrzehnten in eine Dauerfehde verstrickt, und die Kanzlerin hatte schlicht keinen Grund, acht Monate vor dem Ende ihrer Amtszeit einen loyalen Minister abzuservieren und ihren gerade gescheiterten Rivalen durch ein Regierungsamt zu stärken.

Laschet hat mit 52,7 Prozent die Wahl eindeutig, aber nicht fulminant gewonnen. An der Mitgliederbasis und damit bei einer Urwahl hätte Merz, der für immerhin 47,3 Prozent der Delegierten stand, ausweislich diverser Umfragen mutmaßlich eine Mehrheit gehabt. Auch vor diesem Hintergrund sagte Laschet am Samstag, sein unterlegener Konkurrent sei eine "wichtige Persönlichkeit" für die CDU. Er habe mit Merz verabredet, man werde gemeinsam überlegen, "wie sein Beitrag für unsere Partei aussehen kann". Doch nachdem Merz weder für das Präsidium noch den Vorstand kandidiert hat, wird es für den Wahlsieger schwierig, eine Lösung zu finden.

Gibt es Ersatz für Merz?

Gibt es einen Ersatzmann, eine Ersatzfrau, der oder die anstelle von Merz zum Hoffnungsträger der Konservativen und der Wirtschaftsliberalen in der Partei werden könnte? Dem Vernehmen nach wird in der Umgebung von Laschet, der selbst durchaus wirtschaftsfreundliche und liberale Positionen vertritt, darüber intensiv diskutiert. Carsten Linnemann käme in Frage, der Vorsitzende der Mittelstandsunion, oder seine Stellvertreterin Jana Schimke, beide Bundestagsabgeordnete, er aus Nordrhein-Westfalen, sie aus Brandenburg. Oder Christian von Stetten, Unternehmer und mittelstandspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. Schließlich Christian Ploß, junger Landesvorsitzender in Hamburg, Philipp Amthor aus Mecklenburg-Vorpommern und der Thüringer Christian Hirte. Sie alle sind klug und eloquent. Die Liste ist nicht vollständig. Doch wesentlich größer ist das Repertoire an wertkonservativen Marktwirtschaftlern in der Partei nicht, in deren vorderen Reihen einst Politiker wie Alfred Dregger, Gerhard Stoltenberg, Heinrich Lummer oder Manfred Kanther standen.

Merz bliebe die Idealbesetzung für diese Position, zumindest inhaltlich. Doch er hat sich selbst aus dem Spiel genommen, nicht durch seine Niederlage gegen Laschet, sondern durch seine anschließende Aktion, die selbst etliche seiner bisherigen Getreuen an seiner Zuverlässigkeit zweifeln lässt. Ein Politiker, der nicht verlieren kann? Merz selbst hielt seine Forderung offenkundig für unverzichbar, weil er sich als Nur-Präsidiumsmitglied auf eine rein dekorative Position abgeschoben sähe. Jetzt wird diskutiert, ob er nicht zur FDP wechseln solle, um dort eine Doppelspitze mit Christian Lindner zu gründen, letzterer weiterhin als Parteichef und Merz als Spitzenkandidat. Aber daraus wird nichts, heißt es in der Umgebung von Merz. Er sei Christdemokrat und werde das auch bleiben. Ob Merz und Laschet vielleicht doch noch einmal telefonieren?

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