Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Gesellschaft & Kultur > Warum China den Stalinismus in Pjöngjang schützt

Nordkoreas Kim Jong-un ist wieder da – zur Freude Pekings

Wochenlang war über einen möglichen Tod des Diktators spekuliert worden. Jetzt tauchte er bei einer Fabrikeröffnung auf. Dabei soll der stalinistische Führer von seiner Schwester begleitet worden sein.

 Kim Jong Un im Jahr 2020, Agency. (Korean Central News Agency/Korea News Service via AP) |
Kim Jong Un im Jahr 2020, Agency. (Korean Central News Agency/Korea News Service via AP) |

Kim Jong-un lebt. Nordkoreanische Medien berichteten am Samstagmorgen, der Diktator habe am Vortag in der Industriestadt Sunch'ŏn-si nahe Pjöngjang eine Düngemittelfabrik eingeweiht, sei durch die Anlagen geführt und von den begeisterten Arbeitern mit „Hurra“-Rufen gefeiert worden. Später wurden auch einzelne Fotos (Bild: Picture Alliance)  von diesem Auftritt, bei dem Kim von hochrangigen Offiziellen und seiner Schwester Kim Yo-jong begleitet worden sein soll, übermittelt. Ausländische Agenturen erhielten keinen Zugang zu der Veranstaltung.

Seit dem 11. April war der 36-jährige „Oberste Führer“ der hermetisch abgeschirmten Atommacht nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Weltweit war spekuliert worden, Kim, Vorsitzender des Zentralkomitees der kommunistischen „Partei der Arbeit“,  sei nach einer missglückten Herzklappenoperation ins Koma gefallen oder gar gestorben. China habe ein Ärzte-Team geschickt, das aber zu spät gekommen sei. Andere Gerüchte wollten wissen, Kim sei an Covid-19 erkrankt und habe sich darum in Quarantäne begeben. Er ist Raucher und gehört auch wegen seines Übergewichts trotz seiner jungen Jahre zu den Risikogruppen – gleichwohl trug er nie einen Gesichtsschutz, denn „eine Maske hätte die Propaganda unterminiert, der Halbgott Kim sei unbesiegbar“, wie der Nord-Korea Experte Torsten Krauel in „Welt am Sonntag“ schrieb. Zudem hätten solche Schutzmaßnahmen dem regierungsamtlichen Narrativ widersprochen, im Land gäbe es kein Corona. Eine dritte Schule von Pjöngjang-Beobachtern ging Hinweisen nach, Kim Jong-un, der auch Oberkommandierender der Streitkräfte des Landes ist, sei in einem Machtkampf unterlegen gewesen und abgesetzt worden.

Warum fehlte Kim bei der Feier des "ewigen Führers"?

So mangelhaft die Informationen aus dem hermetisch abgeriegelten Land über die Gründe für Kims langes Abtauchen von der Bildfläche sind, müssen sie ernster Natur gewesen sein. Am 15. April hatte Kim bei den landesweiten traditionellen Feierlichkeiten zum 108. Geburtstag seines Großvaters Kim Il-sung (1912-1994), dem als „ewigen Führer“ verehrten Gründer der „Demokratischen Volksrepublik Korea“, gefehlt. Das ist ungefähr so unerhört, als würde ein amerikanischer Präsident an seiner eigenen Inauguration nicht teilnehmen oder der Papst bei einem angekündigten apostolischen Urbi-et-orbi-Segen vom vatikanischen Kämmerer vertreten werden. Erst am Freitag hatte Ji Seong-ho, dem 2006 die Flucht aus Nordkorea gelungen war und der Mitte April bei den Wahlen zum südkoreanischen Parlament einen Sitz errungen hatte, Journalisten erzählt, er sei „zu 99 Prozent sicher“, dass Kim am vorigen Wochenende gestorben sei.

Allerdings war Kim Jong-un, der das Land als Nachfolger seines Vaters Kim Jong-il (1942-2011) regiert, bereits 2014 für einen Monat aus der Öffentlichkeit verschwunden. Danach tauchten Fotos auf, die den jungen Führer mit einer Krücke zeigten. Er hatte sich offenkundig einer Knöchel-Operation unterzogen, die im Zusammenhang mit seinem Übergewicht stehen dürfte.

Halbbruder mit Nervengift getötet

In jedem Fall hat das rätselhaft lange Abtauchen von Kim Jong-un in den Hauptstädten weltweit hektische Debatten darüber ausgelöst, wie es um die Stabilität Nord-Koreas und die Führungsfrage stehen sollte, falls der stalinistische Diktator tatsächlich sterben sollte. Über das Familienleben Kims sind wenige Fakten gesichert. Er soll verheiratet sein und mindestens eine Tochter, möglicherweise gar vier Kinder haben. Allerdings dürfte keines von ihnen älter als zehn Jahre alt sein. Ein älterer Bruder des Staatschefs, Kim Jong-chol, spielt bislang in der Politik des Landes keine Rolle. Eine ältere Halbschwester taucht in der Öffentlichkeit ebenfalls kaum auf. Ein Halbbruder, Kim Jong-nam, ging ins Ausland, betätigte sich dort als Kritiker des Regimes und wurde 2017 auf dem Flughafen von Kuala Lumpur bei einem Anschlag mit Nervengift getötet.

Die Rolle seiner Schwester Kim Yo-jong

Hingegen hat die jüngere Schwester Kim Yo-jong im Staatsapparat Karriere gemacht. Sie ist die Propagandachefin ihrer Bruders, gehört seit 2016 dem Politbüro an und war am Freitag angeblich bei Kims ominösen Auftauchen in der Düngemittelfabrik an seiner Seite. Aber würden die Militärs und Parteigewaltigen zulassen, dass im Fall eines Ablebens des Führers mit Kim Yo-jong eine Frau Verantwortung übernehmen würde für die Sicherung des Regimes? Dass sich Nord-Korea, ob unter Kim Yo-jong oder einem anderen Nachfolger, in Richtung Demokratie oder Abrüstung entwickeln würde, gilt unter Experten als unwahrscheinlich. US-Präsident Donald Trump hatte darauf gesetzt, sich mit Kim zweimal getroffen und ihn sogar eingeladen, ihn in Washington zu besuchen.

Warum Peking das stalinistische Pjöngjang schützt

Doch derartige Hoffnungen waren naiv und lassen sich nur mit Trumps Mangel an geopolitischer Intelligenz erklären. Im Falle einer Liberalisierung Nord-Koreas wäre nämlich mittelfristig eine Annäherung an Süd-Korea und längerfristig gar eine Wiedervereinigung nicht zu verhindern. Diese Vorstellung aber treibt den Machthabern in Peking Schweißperlen auf die Stirn. Denn eine Wiedervereinigung käme faktisch einer Ausdehnung des demokratischen, mit den USA verbündeten Süd-Korea nach Norden gleich – und dann säßen die Amerikaner bald an der Grenze zu China. Das will Peking um jeden Preis vermeiden. Und darum wird sich China stets um die Stabilisierung des nordkoreanischen Regimes und die Gesundheit jedes Diktators in Pjöngjang bemühen.

Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!
Neuen Kommentar schreiben