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Gesellschaft & Kultur > Vereinheitlichung von Patenten

Sonnenaufgang am Patenthimmel? – Die Einführung des Einheitlichen Patentgerichts und die Zukunft des Europäischen Einheitspatents.

Nach einer langen Phase des Stillstandes wird 2022 ein interessantes Jahr für das europäische Patentwesen. Mit der Einführung des Einheitlichen Patentgerichts wurde gleich zu Beginn des Jahres ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Europäischen Einheitspatent erreicht. Wichtige Vorbereitungen wie der Aufbau der Verwaltung oder die Besetzung offener Richterstellen laufen auf Hochtouren. Fast 50 Jahre nach den ersten Versuchen könnte die Einführung eines europäischen Gemeinschaftspatents nun endlich gelingen. Von Jan Witt, Anaqua

Frits Ahlefeldt-Laurvig
Frits Ahlefeldt-Laurvig

Für das europäische Patentwesen begann das Jahr 2022 mit einem Paukenschlag. Österreich hat als 13. Staat das Protokoll zur vorläufigen Anwendung des Übereinkommens zum Einheitlichen Patentgericht (engl. Unified Patent Court – UPC) ratifiziert. Dadurch entsteht mit dem UPC offiziell die internationale Organisation, die die exklusive juristische Kompetenz in Fragen des Europäischen Patents und des neuen Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung (Europäisches Einheitspatent - EEP) inne haben wird. Im europäischen Patentrecht ist dies ein echter Meilenstein. Schließlich ist der UPC die wichtigste Voraussetzung für das Europäische Einheitspatent, dessen Einführung nach jahrzehntelangem Anlauf nun unmittelbar bevorsteht

Stillstand und Verzögerungen trotz intensiver Zusammenarbeit

Doch der Weg zum EEP war immer wieder von Rückschlägen geprägt. Erste Versuche, ein europäisches Gemeinschaftspatent einzuführen, gab es bereits 1975. Doch im Laufe des Integrationsprozesses der EU ist die Einführung immer wieder an der Ratifizierung der jeweiligen Abkommen gescheitert. Beim erneuten Anlauf im Jahr 2011 hatten die Mitgliedsstaaten aus der Geschichte gelernt. Dieses Mal wurde das Europäische Einheitspatent unter dem Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit angegangen. Im Zuge der Verstärkten Zusammenarbeit beteiligen sich nur Staaten an der Harmonisierung des europäischen Patentrechts, die auch wirklich zu dieser Kooperation bereit sind. Nach aktuellem Stand sind das alle EU-Mitgliedsstaaten außer Spanien, Kroatien und Polen. Das neu geschaffene Sekundärrecht wird entsprechend auch nur für diese Koalition der Willigen gelten. Dadurch ist gewährleistet, dass das ganze Projekt nicht an der mangelnden Zustimmung einzelner Staaten scheitern wird.

Dennoch haben einzelne Staaten das Projekt in den letzten Jahren unfreiwillig ausgebremst. Das Übereinkommen zum UPC wurde bereits im Juni 2013 unterzeichnet. Doch bei den nötigen Ratifizierungen ist es wieder einmal zu Verzögerungen gekommen. Zwingend notwendig sind 13 Ratifizierungen, darunter die drei Staaten mit den meisten Patentanmeldungen. Dabei handelt es sich um Deutschland, Frankreich und - nach dem Brexit-bedingten Ausstieg des Vereinigten Königreichs - um Italien. Insbesondere der Ratifizierungsprozess in Deutschland hat sich als schwierig erwiesen. Zwar hat der Deutsche Bundestag im Jahr 2017 ein Zustimmungsgesetz verabschiedet und damit die Grundlage für die Ratifizierung gelegt. Dieses wurde 2020 aber nach einer Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht kassiert, da bei der Abstimmung die für die de facto Grundgesetz-Änderung nötige Zweidrittelmehrheit verfehlt wurde. Mittlerweile hat Deutschland das Zustimmungsgesetz erneut und mit der nötigen Mehrheit im Bundestag verabschiedet. Allerdings war die mehrjährige Verzögerung im Zuge des Verfahrens am Bundesverfassungsgericht ein herber Rückschlag für die Harmonisierung des Patentrechts. Schließlich kann der UPC ohne Ratifizierung durch Deutschland nicht starten. Die letzten Jahre waren daher eine Phase, die vor allem durch Stillstand gekennzeichnet war.

Endlich echte Fortschritte

Doch 2022 biegen das Europäische Einheitspatent und der UPC endlich auf die Zielgerade ein. Noch immer hat Deutschland seine Ratifizierungsurkunde nicht hinterlegt. Dennoch ist im Herbst 2021 Bewegung in den Prozess gekommen. So hat Deutschland im September 2021 immerhin das Protokoll zur vorläufigen Anwendung des Übereinkommens ratifiziert. In diesem vorläufigen Protokoll sind wichtige Vorbereitungen für den Start des neuen Patentgerichts geregelt – beispielsweise die Besetzung von Richterstellen und der Aufbau der IT. Damit dieses in Kraft treten kann, muss es ebenfalls von 13 Staaten ratifiziert werden. Nach Deutschland war einen Monat später mit Slowenien der zwölfte Staat mit an Bord. Schließlich war es Österreich, das das Protokoll am 19. Januar 2022 als 13. Staat ratifiziert hat.

Letzte Vorbereitungen während der Provisional Application Period

Mit Österreichs Zustimmung gerät die Ziellinie des Verfahrens zur Harmonisierung des europäischen Patentrechts jetzt in Sichtweite. So bedeutet die vorläufige Anwendung des Protokolls die Geburt des Einheitlichen Patentgerichts als eigenständige internationale Organisation. In der nun folgenden sogenannten Provisional Application Period (PAP) werden die letzten Vorbereitungen für den Start des UPC getroffen. Zentrales Ziel der PAP ist es, die Funktionsfähigkeit des UPC sicherzustellen. Es wird erwartet, dass diese Phase mindestens acht Monate dauern wird. Schließlich gibt es noch immer viel zu tun.

In Kürze werden die Verwaltungsgremien des UPC zu ihren konstituierenden Sitzungen zusammenkommen. Dabei sind auch noch einige offene Fragen im Zuge des Brexits zu klären. So sollten Fälle, die pharmazeutische und chemische Patente betreffen, ursprünglich in der Zentralkammer in London verhandelt werden. Da London durch den Brexit als Standort wegfällt, muss nun eine Alternative gefunden werden.

Darüber hinaus müssen auch die vielen offenen Stellen am UPC besetzt werden. Neben der Verwaltung werden in der PAP auch die Richterinnen und Richter an die verschiedenen Standorte des UPC in Europa berufen. Bewerbungen dafür konnten bereits seit Mai 2016 eingereicht werden. In den nächsten Monaten werden diese Besetzungsverfahren abgeschlossen. Insgesamt sollen etwa 90 Personen am UPC tätig sein.

Opt-Outs ab Beginn der Sunrise Period

Verläuft die Provisional Application Period erfolgreich, könnte der UPC bereits im Frühjahr 2023 offiziell an den Start gehen. Wie der UPC auf seiner Website schreibt, wird Deutschland seine Ratifizierungsurkunde hinterlegen, sobald die UPC-Mitgliedsstaaten die Funktionsfähigkeit des neuen Patentgerichts festgestellt haben. Bei der Ratifizierung durch Deutschland handelt es sich um das finale Puzzlestück des UPC. Dann wären alle in Artikel 89 genannten Bedingungen für das Inkrafttreten des Abkommens erfüllt. Schließlich haben Frankreich, Italien und 14 weitere Staaten das UPC-Abkommen bereits ratifiziert. Deutschlands Ratifizierung markiert dann den Startpunkt der sogenannten Sunrise Period – also der letzten drei Monate, bevor der UPC endlich seine Arbeit aufnehmen kann.

Nun da die Einführung des UPC absehbar ist, sollten sich Inhaber eines Europäischen Patents überlegen, ob sie von der Möglichkeit des Opt-Outs Gebrauch machen wollen. Europäische Patente – also solche, die momentan vom Europäischen Patentamt erteilt werden und nur in bestimmten Staaten gültig sind – können in einer Übergangsphase von sieben Jahren der Jurisdiktion des UPC entzogen werden. Im Falle eines solchen Opt-Outs sind weiterhin nationale Patentgerichte und eben nicht der UPC für juristische Verfahren zuständig. Zu beachten ist, dass Opt-Outs aber nur bei Europäischen Patenten möglich sind. Europäische Einheitspatente dagegen, die zwar künftig auch vom Europäischen Patentamt erteilt werden, aber qua Abkommen in allen UPC-Mitgliedsstaaten gültig sind, fallen in jedem Fall unter die Zuständigkeit des UPC. Denn für EEPs hat der UPC die exklusive Kompetenz. Die Anträge auf Opt-Outs können mit Beginn der Sunrise Period gestellt werden.

2022 – Zielgerade des UPC

Nach einer langen Phase des Stillstands wird 2022 also ein entscheidendes Jahr für das europäische Patentwesen. Insbesondere die aktuelle Provisional Application Period ist für die Harmonisierung des europäischen Patentrechts von enormer Bedeutung. Verläuft alles nach Plan, wird der UPC im Frühjahr 2023 starten können. Fast 50 Jahre nach den ersten Versuchen könnte die Einführung eines europaweit gültigen Patents also nun endlich gelingen.

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