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Gesellschaft & Kultur > Sterblichkeit des Coronavirus liegt viel niedriger als gedacht

Virologe Streeck empfiehlt Rückkehr zur Lebensnormalität

Sterblichkeit des Coronavirus liege viel niedriger als gedacht. Gesellschaft habe übertrieben Angst: „Wir müssen mit dem Überdramatisieren aufhören“.

Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn, Foto: imago images / Jürgen Heinrich
Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn, Foto: imago images / Jürgen Heinrich

Der Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Bonn, Hendrik Streeck kritisiert, dass es in Deutschland im Kampf gegen die Corona-Pandemie „zu viel Angst“ gebe. Das Risiko der Krankheit sei inzwischen gut kalkulierbar und legitimiere eine übertriebene Verbotspolitik nicht mehr, sagte Streeck auf dem Wirtschaftsforum „Neu Denken“ in Hamburg.

Streeck erklärte, man habe in Deutschland derzeit eine völlig normale Sterblichkeitsrate. Bei der Hitzewelle 2018 und bei der Grippewelle 2017 habe man sehr viel deutlicher eine Übersterblichkeit gesehen. „Wir haben es mit einem ernstzunehmendes Virus zu tun, aber wir dürfen dieses Virus nicht mehr über-dramatisieren.“

Streeck wies daraufhin, dass die Sterblichkeit von Corona-Infizierten sehr viel niedriger sei als man das im Frühjahr befürchtet hatte. „Dieses Virus ist tödlich nur für wenige. Genauso wie viele andere Viren auch,“ meinte Streeck. Die zunehmende Erkenntnisse der Wissenschaft sollten Mut machen: Es gebe fast keine Übertragung über Gegenstände. Auch gebe es im normalen Alltagsgeschäft – etwa im Einzelhandel – wenig Ansteckungsrisiken. Viele Infektionen verliefen komplett ohne Symptome. Nur noch fünf Prozent der Infizierten bräuchten überhaupt eine klinische Versorgung, weitaus weniger gar eine intensivmedizinische.

Streeck wies daraufhin, dass die Sterblichkeitsrate höchstens bei 0,37 Prozent liege. Die gut erforschte brasilianische Metropole Manaus melde eine Sterblichkeitsrate von 0,28 Prozent. „Das läßt sich einordnen“, meint Streeck. Corona sei deutlich gefährlicher als normale Grippewellen, aber „Corona wird nicht unser Untergang sein“. Die Angst vor dem Coronavirus sei häufig irrational. Zu häufig würden kleinste Nebenrisiko-Wahrscheinlichkeiten zu großen Themen von Politik und Medien. „Das Virus ist zu politisch geworden, obwohl es eigentlich nicht politisch sein sollte,“ klagte der Virologe.

Streeck plädiert für ein Ende des Krisen- und Panikmodus, der Umgang mit dem Virus müsse zur in ein normales Risikohandling wie bei vielen anderen Risiken des Lebens auch übergehen. Ängste zu schüren sei der falsche Weg, weil man damit die Gesellschaft spalte und die Akzeptanz für eigenverantwortliche Achtsamkeit schwäche. Maskenpflichten etwa an der frischen Luft seien unsinnig. ,„Wir brauchen einen Wechsel im Krisenmanagement. Wir dürfen die Krise nicht verwalten, sondern müssen Lösungen finden. Sorgsam pragmatische Lösungen“, empfiehlt der Virologe.  Die Infektionszahlen dürften nicht mehr im Haupt-Fokus stehen. Man müsse auch den echten Krankheitsausbruch ins Auge fassen wie die Auslastung in der stationären Behandlung und der Anteil der belegten Intensivbetten. Dementsprechend definierte Schwellenwerte könnten somit striktere Maßnahmen im Alltagsleben vorgeben.

Streeck plädiert für „eine neue Routine“. Man solle sich vor Sorglosigkeit hüten, aber mit dem Risiko intelligent umzugehen lernen. Wenn öffentliche Veranstaltungen gute Hygienekonzepte verfolgten, solle man sie auch stattfinden lassen. “Wir können nicht auf einen Pauseknopf des Lebens drücken und glauben, das Virus sei dann vorbei,“ mahnt Streeck.

Streeck warnt vor dem Irrglaube, man könne das Virus irgendwie besiegen. Dies werde nicht einmal durch den härtesten Lockdown gelingen. Nach der zweiten werde es auch eine dritte und vierte Infektionswelle geben. „Wir sind in einer Dauerwelle. Wir müssen uns damit abfinden, das Virus wird normaler Teil unseres Lebens werden.“ Das sollte uns aber keine Angst machen, das Virus sei schlichtweg da, nicht nur in diesem Herbst, sondern auch im nächsten Sommer, „und auch in Jahrzehnten noch“. Selbst mit Impfstoffen sei es der Menschheit erst ein einziges Mal (bei Pocken) gelungen, einen Virus durch einen Impfstoff auszurotten. Fazit: „Viele von uns werden Bekanntschaft mitreisen Virus machen, ob wir wollen oder nicht.“

Das Infektionsgeschehen im Herbst werde sich massiv beleben, sagt Streeck voraus. 2000 Infektionen pro Tag seien keine hohe Zahl, das zehnfache müssen man erwarten. Man wisse nun aber, dass durch Abstandsregelungen und das Tragen von Masken die Infektionsdosen stark verringert werden, was wiederum zu milderen Symptomen führe. „Ich setze darauf, dass die Leute Verantwortung übernehmen, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Menschen. Fast jeder von uns kennt ältere Menschen oder Menschen aus Risikogruppen, für die eine Infektion gefährlich werden kann. So eine Pandemie kann man nur gemeinsam bewältigen.“

Streeck warnt zudem davor, zu viel Hoffnung in einen Impfstoff gegen das Coronavirus zu setzen. Seiner Einschätzung nach seien die rasch entwickelten Impfstoffe unsicher in Wirksamkeit und Nebenwirkungen: “Gerade in der letzten Phase gibt es Überraschungen, mit denen man häufig nicht rechnet.“ Es gibt viele Erreger wie die Tuberkulose oder Malaria, wo wir immer noch keinen Impfstoff haben, obwohl Millionen Menschen jedes Jahr daran sterben.

Streeck vermutet, dass auch ohne den massenhaften Einsatz von Impfstoffen die Pandemie zusehends abflaue. Man verzeichne in großen Ballungsräumen der Erde zusehends eine Herdenimmunität. Streeck nennt dazu als Beispiele Brasilien, die USA, Schweden und Indien.

Streeck präsentierte seine Analyse vor dem prominent besetzten Wirtschaftsgipfel, das vom 1. bis 3. Oktober in Hamburg stattgefunden an. Als Teilnehmer waren Politiker wie Sigmar Gabriel (SPD), Wolfgang Kubik (FDP) und Günther Oettinger (CDU) und Astrid Hamker (CDU) dabei. Aus der Wirtschaft kamen Vorstandsvorsitzende wie Werner Baumann (Bayer), Sven Odia (Engel & Völkers), Christoph Vilanek (Freenet) aber auch Unternehmer wie Erich Sixt, Michael Kühne und Hans-Rudolf Wöhrl. Die Initiatoren FGS (Flick Gocke Schaumburg), LeitnerLeitner und European Accounting wurden von der WEIMER MEDIA GROUP als Medienpartner begleitet.

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