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Gesellschaft & Kultur > SAP scheitert mit Doppelspitze nach Vorbild der Grünen

Warum Habeck & Baerbock nicht als Vorbild taugen (bei SAP haben’s Jennifer Morgan & Christian Klein gemerkt)

Was bei der Umweltpartei mit Annalena Baerbock und Robert Habeck als vorbildlich gefeiert wird, klappt sonst selten in Politik und Wirtschaft: Beim Software-Riesen SAP hat am Dienstag Jennifer Morgan das Handtuch geworfen, die Doppelspitze mit Christian Klein ist gescheitert. Ist der Traum von einem Team an der Spitze allzu romantisch?

17.02.2020, Berlin: Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, und Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, nehmen in der Parteizentrale an der Bundesvorstandssitzung ihrer Partei teil. Foto: Kay Nietfeld/dpa | Verwendung weltweit
17.02.2020, Berlin: Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, und Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, nehmen in der Parteizentrale an der Bundesvorstandssitzung ihrer Partei teil. Foto: Kay Nietfeld/dpa | Verwendung weltweit

[caption id="attachment_40344" align="alignnone" width="557"] Sie sind noch einig: Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck (oben). Da waren sie noch ein Duo: Bisherige SAP-Doppelspitze Christian Klein und Jennifer Morgan (unten) FOTOS: Picture Alliance[/caption]

Ziehen wir den Hut vor Annalena Baerbock und Robert Habeck. Wer die Grünen mag, wird dies ohnehin tun, aber auch die energischsten Kritiker der Partei müssen einräumen, dass die im Januar 2018 gewählte Doppelspitze konfliktfrei und harmonisch funktioniert. Kein öffentlich ausgetragener Streit, keine übertriebenen Eifersüchteleien, keine Selbstdarstellungsegoismen.

Allerdings beweisen die beiden Grünen-Vorsitzenden, die im November 2019 mit überwältigender Mehrheit im Amt bestätigt wurden, keineswegs die Überlegenheit einer Doppelspitze. Am Dienstag gab der deutsche Software-Gigant SAP das Ausscheiden der Amerikanerin Jennifer Morgan aus dem bisherigen weiblich-männlichen Führungsduo bekannt. Co-CEO Christian Klein führt den Dax-Konzern ab 30. April alleine. Dabei war das Doppel Morgan/Klein, das erst im Oktober überraschend den langjährigen Vorstandschef Bill McDermott abgelöst hatte, als zukunftsträchtige Lösung und Vorbild für die digitale Wirtschaft gefeiert worden.

"SAP benötigt eine klare Führung"

„SAP benötigt eine klare Führung", sagte Klein am Dienstagmorgen. Darum sei es jetzt an der Zeit, die Führung in eine Hand zu nehmen. Der 39-Jährige versicherte zugleich, es habe keine persönlichen Verwerfungen zwischen ihm und Morgan gegeben. Man bleibe „Freunde“.

Dass Baerbock und Habeck hingegen die gemeinsame Führung der (aktuell in der Publikumsgunst schwächelnden) Oppositionspartei meistern, ist schon deshalb bemerkenswert, weil sie unterschiedlichen Lagern zugerechnet werden: Baerbock trat an als Vertreterin der Partei-Linken (die früheren „Fundis“, die gegen jede Regierungsbeteiligung waren, gibt es bei den Grünen nicht mehr), während Habeck den „Reformern“ (einst „Realos“ geheißen) zugerechnet wird. Dennoch schwärmte Baerbock vor einiger Zeit in einem Interview mit dem Autor: „Doppelspitze heißt für mich doppelt stark – wenn man, wie Robert Habeck und ich es tun, nicht untereinander wetteifert, wer der Schönste und Beste im Raum ist, sondern die doppelte Kraft für die Sache einsetzt.“ Und Habeck sekundierte, die Doppelspitze verkörpere „ein neues Verständnis von Macht“, nämlich „dass nicht einer der große Zampano ist“.

SPD kopierte Doppelspitze – aber profitiert von Olaf Scholz

Das klang verlockend. Und so hat die SPD-Basis (zum Unmut des Partei-Establishments) mit Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken im November ebenfalls eine männlich-weibliche Doppelspitze gewählt, die im Dezember vom Parteitag bestätigt wurde. In den wenigen Monaten seit dieser Entscheidung wurden keine nennenswerten Konflikte zwischen den beiden Vorsitzenden bekannt. Aber das ist weniger erstaunlich, da sie ja im Gegensatz zur ersten Wahl von Baerbock und Habeck gleich als Doppelpack mit einheitlich linkem Flügelprofil antraten. Seit März hat die SPD in den Umfragen zugelegt. Allerdings dürfte dies weniger Walter-Borjans und Esken zuzuschreiben sein als dem Agieren und Regieren ihres im Herbst gescheiterten Gegenkandidaten, dem Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz.

Auch AfD und Die Linke setzen auf Doppelspitzen. Den AfD-Parteivorstand bildet das Männer-Duo Jörg Meuthen und Tino Chrupalla. Die Bundestagsfraktion der Alternative für Deutschland wird vom Mixed Alice Weidel und Alexander Gauland geführt. Die Harmonie ist beschränkt: Als Meuthen unlängst eine „einvernehmliche“ Abtrennung des „Flügels“ um die Partei-Rechten wie Björn Höcke empfahl, drängte Chrupalla auf die „Einheit der Partei“ und zeigte sich „menschlich enttäuscht“ über den Vorstoß des Co-Chefs.

Auch grüne Doppelspitzen haben sich oft gezankt

Die Links-Partei setzt gleich zweimal auf gemischtgeschlechtliche Vorstände: In der Fraktion sind es Amira Mohammed Ali und Dietmar Bartsch, in der Partei Bernd Riexinger und Katja Kipping. Die Harmonie ist überschaubar. Bis in den Herbst hieß die Co-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, und sie wie Bartsch stritten sich langanhaltenden mit den Parteichefs um die richtige Strategie. Schließlich resignierte Wagenknecht und gab auf.

Darum sollte man in anderen Parteien vorsichtig sein, das Prinzip der Doppelspitzen als vermeintlich progressive Führungsform zu kopieren. Selbst bei den Grünen, bei denen eine Doppelspitze für Partei und Fraktion, bestehend aus mindestens einer Frau und maximal einem Mann, seit 1991 eisernes Prinzip ist, hat das keineswegs immer geklappt. Vor allem in Zeiten, in denen die Partei stärker mit den Flügeln flatterte, verstanden sich die beiden Vorsitzenden oft zunächst als Vertreter ihrer spezifischen Lager und nicht als Repräsentanten der Gesamtpartei. Die direkten Vorgänger von Baerbock und Habeck, nämlich die Linke Simone Peter und der Reformer Cem Özdemir, gefielen sich noch im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 im teilweise öffentlich zelebrierten Streit.

Wie das Chef-Duo bei der Deutschen Bank scheiterte

In der Wirtschaft gehörte SAP zu den wenigen Konzernen, die es mit einer Doppelspitze überhaupt versuchten. Vor dem Walldorfer Unternehmen scheiterte bereits die Deutsche Bank, als es die Führung zwei Männern anvertraute. Das Geldhaus ersetzte 2012 den Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann durch Jürgen Fitschen und Anshu Jain. Die eigene PR-Abteilung bescheinigte dem Duo sehr rasch „ausgezeichnete partnerschaftliche Zusammenarbeit“, bis 2017 sollte sie weitergehen. Doch schon 2015 wurde Jain durch John Cryan ersetzt. Knapp ein Jahr später war der Brite Alleinvorstand, weil auch Fitschen ausschied. Cryan wiederum, der einen Vertrag bis 2020 hatte, wurde 2018 Jahr von Christian Sewing abgelöst. Der Westfale ist inzwischen alleiniger Vorstandschef.

Beim Industriekonzern ThyssenKrupp ist die Erinnerung an eine Doppelspitze noch tiefer in den Annalen vergraben. Als die bis dahin eigenständigen Firmen Krupp-Hoesch und Thyssen 1999 fusionierten, bildeten die Initiatoren Ekkehard Schulz und Jürgen Cromme eine Doppelspitze. Das Duo hielt nur zwei Jahre. Seit Februar 2019 wird ThyssenKrupp von der Vorstandsvorsitzenden Martina Merz geführt, der „mächtigsten Frau in der deutschen Wirtschaft“ (ManagerMagazin).

Beim kalifornischen Konkurrenten Oracle klapt es

Die Banken Citigroup und Credit Suisse probierten ebenfalls „Doppelspitzen“ aus – alle männlich-männlich, alle vor Jahren und alle so glücklos, dass an dem Modell nicht festgehalten wurde. Immerhin: Der kalifornische SAP-Konkurrent Oracle wird hingegen bereits seit 2014 von der weiblich-männlichen Doppelspitze der beiden CEOs Safra Catz und Mark Hurd geführt.

Baerbock dürfte ihre Behauptung, dass Doppelspitzen in der Wirtschaft populärer werden, am ehesten durch einen Blick auf die Führung der DZ Bank bestätigt sehen. Denn Uwe Fröhlich und Cornelius Riese sind seit Januar 2019 Co-Vorstandsvorsitzende. Allerdings handelt es sich auch hier, und aus Grünen-Sicht ist das zweifellos ein Schönheitsfehler, um zwei Männer.

Romantische Vorstellungen von einem Team an der Spitze

Fazit: Doppelspitzen können funktionieren, wie Baerbock und Habeck beweisen. Aber belegen lässt sich die romantische Vorstellung, dass Teams immer gut sind und ein Duo es besser macht als eine Einzelperson, egal ob weiblich oder männlich, weder durch Versuche in der Politik noch in der Wirtschaft. In den meisten Fällen scheint die Konzentration der Führung auf einen einzigen Entscheider vorteilhafter. Bei SAP jedenfalls hat man jetzt diese Erkenntnis jetzt gezogen.

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