Corona-Pandemie: Virologe Alexander Kekulé hält Lockdown-Verlängerung für nicht sinnvoll
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Der Lockdown hat Deutschland fest im griff, die Todeszahlen steigen und die Ohnmacht der Bundesregierung bei der Bewältigung der Corona-Pandemie wird immer offensichtlicher. Eine Glosse von Stefan Groß-Lobkowicz.

Deutschland probt den Ausnahmezustand. Mal wieder! Der Lockdown geht in die Verlängerung auf unbestimmte Zeit. Seit fast einem Jahr fährt das Land, wie einst in der Schwerindustrie im Ruhgebiert, die Öfen und Motoren des Wirtschaftens und damit des gesellschaftlichen Lebens herunter. Inmitten des Winters friert das Emotionale noch mehr ein. Der ohnehin graue Winter drückt mit Corona noch einmal in die Stimmungsgelage einer kränkelnden Gesellschaft, die immer mutloser wird und deren einstige Vitalität sich zusehends erschöpft.
Und der „Lockdown light“ zeigt wenig Wirkung, die Todeszahlen steigen exponentiell und die Last des Virus drückt beklemmend auf die Seelenlandschaft der Individuen. Noch nie war die Selbstmordrate so hoch wie in diesen Zeiten, die für viele sowohl familiär, existentiell und wirtschaftlich ein Szenario darstellt, das an Finsternis und Düsterheit, ja, an Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit kaum zu überbieten scheint. Die familiäre Gewalt wächst graduell zu den verlängerten strengen Regularien, die Jugend ist sich ihres Lebensoptimismus unsicherer, die Alten vegetieren in Pflegeheimen jenseits häuslicher Nähe und liebevoller Umarmung – jenseits jeglichem Trost. Die Würde des Sterbens verkommt und der Tod banalisiert sich ein einer anonymen Sterbeindustrie, die nur noch reagieren, nur noch das Leichentuch zu spannen vermag. Der Tod wird zum bitteren Gesellen – und die Einsamkeit auf den Sterbestationen gleicht einem horror vacui, weil es nur das Nichts ist, das die Einsamkeit umspült.
Die Schockstarre bleibt bis zum 10. Januar. Doch dabei wird es nicht bleiben. Corona schiebt sich unaufhaltsam in die Zukunft. Restaurants, Museen, Theater und Freizeiteinrichtungen haben die Lichter ausgeschaltet, eine beunruhigende Ruhe nebelt das Land in den Winterschlaf.
Der Zickzackkurs der Bundesregierung
Bei all dem Pessimismus, der in den Wintertagen Deutschland eisern in Griff hält, hat nun der Münchner Virologe Alexander Kekulé davor gewarnt, den Teil-Lockdown zu verlängern. Derartige Maßnahmen greifen nur, wenn sie gerade beschlossen würden. Eine Verlängerung würde in der Regel keine stärkere Bremsung bewirken. Kekulé wirft in Sachen rigider Anti-Corona-Maßnahmen der Bundesregierung eine Art moderierender, auf Sicht fahrender Vorgehensweise vor, die mit einem Zickzackkurs die eigene Ohnmacht und Regielosigkeit bei der Bewältigung der Corona-Pandemie durch eine lavierende Unentschlossenheit zu kompensieren sucht. Entweder man macht einen Teil-Lockdown oder einen kompletten. Man muss sich hier zwischen Pest und Cholera letztendlich entscheiden. Eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen speziell für die Weihnachtstage sei aber nicht sinnvoll, „weil wir damit gerade diejenigen nicht mitnehmen würden, die sowieso schon nicht mehr mitmachen bei den Maßnahmen.“ Er selbst setzt auf ein schärferes Vorgehen und betont, dass es nur zehn Prozent der Bevölkerung seien, die die Corona-Maßnahmen ignorierten und damit die Zahlen hochhalten. Die Corona-Maßnahmen-Verweigerer müssten jedoch in ein Lockdown-Konzept integriert werden; man muss sie einkalkulieren und die Strategien daraufhin fokussieren. Gelingt das nicht, bleibt nicht nur dieses Weihnachtsfest für viele Menschen ein vielleicht noch einsameres als es das schon viel zu oft war.
Hintergrund
Am vergangenen Mittwoch hatten sich die Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) darauf verständigt, den Teil-Lockdown mit geschlossenen Restaurants, Museen, Theatern und Freizeiteinrichtungen bis zum 10. Januar zu verlängern. Zunächst sollte der Shutdown bis kurz vor Weihnachten verlängert werden.