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Gesellschaft & Kultur > Interview mit Professor Jochen Maas

Wissenschaftler: Corona wird nicht die letzte Pandemie in naher Zukunft sein

„The European“ sprach mit dem Geschäftsführer Forschung & Entwicklung der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Jochen Maas, über Corona und über das pandemische Zeitalter. Wie der Wissenschaftler betonte, wird es nicht die letzte Pandemie sein.

Jochen Maas, Foto: WMG
Jochen Maas, Foto: WMG

Herr Professor Maas: Wie geht es Ihrer Meinung nach weiter mit der Pandemie?

Wir werden die Pandemie mit Impfungen in den Griff bekommen. Ich glaube aber auch, dass wir wieder einen gleichen Anstieg der Inzidenzen bei Ungeimpften wie im vergangenen Herbst sehen werden. Dieser wird sicherlich im Oktober und November kommen, weil das Virus auch eine saisonale Prozessualität hat. Aber ich bin sicher, dass wir im Bereich Hospitalisierung und Todesfälle wahrscheinlich nicht mehr die Zahlen bekommen, die wir schon erreicht hatten. Dies liegt einfach daran, dass sich mittlerweile viele Menschen geimpft haben und damit auch zu über 90 Prozent vor schweren Krankheitsverläufen geschützt sind. Die Menschen werden seltener krank und stecken zu einem deutlich geringeren Maße andere an. Dieser Erfolg hängt aber davon ab, ob wir die Impfquote weiter erhöhen und die Impfskeptiker überzeugen. Und vor allem sollten wir die Jugendlichen einschließen. Nur so  kommen wir letztendlich auf die 80 bis 85 Prozent Impfquote. Vielleicht haben wir dann die Pandemie womöglich besiegt.

Woran liegt es, dass sich viele Menschen nicht impfen lassen wollen. Ist das ein politisches, ein wissenschaftliches oder gesellschaftliches Problem?

Von der Wissenschaft gesehen, gibt es keinen Grund an Impfungen zu zweifeln. Wenn man die ganzen Infektionskrankheiten betrachtet, vor allem die viralen, so hatte diese die Wissenschaft fast alle über Impfungen in den Griff bekommen. Das fängt bei Polio, Pocken und Hepatitis an und geht bis Covid-19. Es ist eher ein gesellschaftspolitischer Grund oder ein Umstandsphänomen nicht zum Impfen zu gehen. So haben wir beispielsweise in Afrika deutlich höhere Impfquoten als in Deutschland und Frankreich.

Leben wir in einem pandemischen Zeitalter? Was sind die Ursachen dafür?

Wir hatten in der Vergangenheit signifikante Pandemien wie die Spanische Grippe 1917/1918. Aber auch im letzten Jahrhundert gab es immer wieder viele virale Erkrankungen, die auf den Menschen übersprungen gesprungen sind, die aber fast immer Epidemien geblieben sind, also lokal wie Ebola und Hantavirus begrenzt waren. Mit Sars-Corv-2 haben wir nunmehr eine weltweite Pandemie. Und diese wird nicht die letzte Pandemie gewesen sein. Vielleicht wird die nächste erst 2026 kommen, vielleicht aber auch schon früher. Dass jetzt Pandemien verstärkt auftreten, hat seine Gründe: Einer der wichtigsten dürfte der sein, dass wir immer weiter in unerforschte und unberührte Gebiete vordringen. In diesen Gebieten gibt es Kreisläufe, wo sich ein Virus und ein Wirt aufeinander angepasst und miteinander verzahnt haben. Das klassische Beispiel ist Covid-19 und die Fledermaus. Wenn wir immer weiter in diese Gebiete mit unseren Rindern und Schweinen vordringen, kann es immer öfters passieren, dass solche Viren Grenzen überschreiten und von der Fledermaus auf Haustiere und den Menschen überspringen. Mit Blick auf diese Möglichkeiten bleibt die Vorbereitung das A und O. Was wir dazu brauchen, sind Gentechnik zur Herstellung neuer Impfstoffe und vernünftige Digitalsysteme, um letztendlich Infektionsketten nachverfolgen zu können. Und wir benötigen Schutzausrüstungen, die tatsächlich in großer Stückzahl vorhanden sein müssen.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) prüft gerade einen Impfstoff von Sanofi. Wie hoch ist die Wirksamkeit?

Wir haben in der Phase zwei mit nur 670 Probanden eine Wirksamkeit zwischen 95 und 100 Prozent gesehen. Das macht mich sehr zuversichtlich für die Phase 3, die derzeit mit 35.000 Probanden läuft. Ich rechne mit einer ähnlichen Wirksamkeit in der Größenordnung von BioNTech.

Was würden Sie den Impfgegnern entgegenhalten. Was kann man dieser Gruppe, die derzeit in Berlin sehr aktiv gegen die Corona-Politik  der Bundesregierung protestiert und die ihre Anhänger quer durch alle Gesellschaftsschichten rekrutiert, entgegenhalten?

Die Impfgegner müssen drei Dinge im Kopf haben: Sie tun sich selber nichts Gutes, wenn sie sich nicht impfen lassen. Aber eigentlich handeln sie, um es hart zusagen, asozial. Zum Dritten sind sie mit verantwortlich, wenn das Virus sich verändert und wenn wir es nicht schaffen, die Virusausbreitung einzudämmen. Es gibt also drei Gründe, sich impfen zu lassen: a. der egoistische, man tut was Gutes für sich selbst, b. der soziale, man tut etwas Gutes für die anderen, und c. der wissenschaftliche: man verhindert die weitere Ausbreitung des Virus.

Sanofi ist ein Riesenkonzern mit über 100.000 Mitarbeitern. Welche Medikamente sind in ihrem Portfolio?

Das wichtigste Medikament, was wir gerade haben, ist Dupixent. Der Wirkstoff von Dupixent ist Dupilumab. Dupilumab ist ein monoklonaler Antikörper, der als Medikament zur Behandlung der atopischen Dermatitis angewendet wird. Wie haben aber auch nach wie vor unsere Insuline wie „Lispro“, die weltweit bekannt sind. Das sind unserer Blockbuster und sie werden es bleiben, weil es immer mehr Diabetiker weltweit gibt. Wir haben nach wie vor unsere Mittel gegen die Multiple Sklerose und unsere Impfstoffe gegen alle möglichen Viruserkrankungen sowie einen neuen Grippe-Impfstoff für Menschen über 60. Was uns auszeichnet, sind viele Medikamente gegen seltene Erkrankungen. Diese Erkrankungen sind oft außerhalb des Interesses anderer Pharmafirmen. Wir machen viel „Morbus Pompe“ für die Enzymersatztherapie und „Morbus Gaucher“ gegen Stoffwechselerkrankungen. Wir sind daher nicht unilateral aufgestellt.

Die Welt ist sehr differenziert in arm und reich. In vielen Teilen fehlen Medikamente. Was macht man von Seiten der Pharmaindustrie dagegen?

Was wir schon lange machen, sind Aids-Medikamente in Ländern, die besonders stark betroffen sind, zu ganz anderen Preisen abzugeben, als in Amerika oder Europa. Oft sogar zum Selbstkostenpreis. Auch bei Corona bleibt uns nichts anderes übrig, als alle vorhandenen Produktionskapazitäten zu 100 Prozent auszunutzen, um so schnell wie möglich 20 Milliarden Dosen Impfstoff produzieren zu können. Auch für künftige Pandemien wird es nötig sein, dass wir Industrien in diesen Ländern aufbauen. Sanofi hat bereits 30 Produktionsstätten in tropischen Ländern. Das ist gut. Aber was wir aber noch mehr brauchen, wäre ein Technologietransfer vor allem in diese Länder. Die Industrie ist auch bereit dazu. oft mangelt das Investment in diese Regionen aber an der  gewisse Investitionssicherheit. Wenn es Länder gibt, wo jedes Jahr das Regime wechselt und die Regierungen von Korruption zerfressen sind, wird es für uns schwer, dort zu investieren und dort Produktion hinzubringen. Aber trotz dieser Schwierigkeiten, glaube ich, dass die Industrie auf dem guten Weg ist.

Fragen: Stefan Groß

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