Linda Teuteberg (FDP): Es wird länger dauern als bei Banken- und Eurokrise
„The European“ hat in allen Bundestagsfraktionen nachgefragt: Wie gehen Abgeordnete mit Corona um? Wie hat sich ihr Alltag geändert? Haben sie Tipps für den Bürger? Und vor allem: Wann normalisiert sich unser Leben wieder? Hier antwortet die Bundestagsabgeordnete und FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg.

Wir sind weitgehend gehalten, unsere vier Wände nicht zu verlassen und uns maximal gemeinsam mit den Menschen aus unserem Haushalt draußen aufzuhalten. Sind Sie zufrieden mit der Disziplin, mit der offenkundig die meisten Mitmenschen das Kontaktverbot befolgen? Oder sind Sie besorgt, dass wegen des Regelbruchs durch einzelne letztlich Ausgangssperren kommen müssen?
Linda Teuteberg: Viele folgen aus Verständnis und eigener Einsicht und manche aus Druck gepaart mit Angst. Wichtig ist, dass wir die Ausnahme als Ausnahme begreifen und schon jetzt gedankliche und emotionale Sehnsucht entwickeln zurück zu unseren Freiheiten und Möglichkeiten. Wenn ich beim Röntgen die Luft anhalten muss, damit das Bild nicht verwackelt, weiß ich, dass ich gleich wieder frei atmen kann. Wenn ich die Luft anhalten soll, um durch einen Gang zu tauchen, von dem ich nicht weiß, wie lang er ist, dann ist das schlimm. Deshalb ist es gut, dass wir in der vergangenen Woche angefangen haben, über die Rückkehr zur Normalität einer offenen Gesellschaft wenigstens nachzudenken und zu sprechen. Das gibt Hoffnung, und aus dieser Hoffnung wird dann die Kraft, den Rest auch noch durchzustehen.
Politiker haben gewöhnlich viele Termine, nun aber sind auch Sie gezwungen, viel Zeit daheim zu verbringen. Haben Sie aus den ersten Tagen Tipps für Ihre Mitmenschen zur Hand? Welches Buch sollte man lesen, welchen Film schauen, welcher Musik lauschen, welchem Hobby frönen?
Linda Teuteberg: Jeder von uns ist gerade mit einer anderen Situation konfrontiert. Für die wenigsten Menschen sind das Ferien auf Balkonien. Auch bei uns in der Partei und Fraktion geht die Arbeit ja auf andere Weise weiter, werden Gremien, politische Arbeit und Kommunikation digital organisiert. Es finden lauter Telefonschalten und Videokonferenzen statt. Und auch der persönliche Alltag hält für viele Menschen ganz neue Herausforderungen bereit. Denken Sie nur an Familien mit Kindern. Hier gilt es etwa Arbeit, Kinderbetreuung, Unterricht zuhause und den normalen Haushalt gleichzeitig unter einen Hut zu bekommen. Auf engstem Raum und ohne Freunde zu treffen oder auf den Spielplatz gehen zu können. Das sind Herausforderungen, die sehr belastend sind und ein hohes Stress- und Konfliktpotential mit sich bringen. Hier geht es um ganz andere Fragen als die, welches Buch ich lese. Gern gebe ich trotzdem einen Lektüretipp: „Der Ruf der Horde“ von Mario Vargas Llosa.
Wie lange wird es dauern, bis Deutschland zur weitgehenden Normalität zurückkehren, Kinder wieder zur Schule gehen und wir alle uns abends in Kneipen, bei Sportveranstaltungen oder in Konzerten und Theatern treffen können?
Linda Teuteberg: Die wirtschaftlichen und damit finanziellen Folgen werden uns wohl länger beschäftigen, als das schon bei der Bankenkrise 2007/08 und bei der Eurokrise gedauert hat. Aber Lebensfreude und Geselligkeit werden hoffentlich schnell wiederkommen. Die Zeit der medizinischen Bewältigung kann derzeit niemand verlässlich abschätzen. Sicher ist aber: Wir brauchen schnellstmöglich verlässliche Schnelltests, um gezielter nur noch Infizierte und besonders gefährdete Menschen zu isolieren, sobald dies verantwortbar ist. Damit wir gesellschaftlich und wirtschaftlich zur Normalität einer offenen Gesellschaft zurückkehren können. Denn wir benötigen eine leistungsfähige Wirtschaft und ein funktionierendes Bildungssystem gerade auch, um weiterhin medizinische Behandlung auf hohem Niveau für alle, die diese benötigen, gewährleisten zu können.
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In der “The European”-Reihe “Wir fragen, Politiker antworten” zum Thema Corona hatten bereits die Bundestagabgeordneten Dagmar Freitag (SPD), Oliver Luksic (FDP), Cem Özdemir (Grüne), Peter Beyer (CDU), Sevim Dagdelen (Linke), Jürgen Braun (AfD) und Rolf Mützenich (SPD) Stellung bezogen.