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Gesellschaft & Kultur > Drag Queens als Geschichten-Erzähler

Drag Queens als Geschichten-Erzähler für Vierjährige?

Dass es beim Lesen von Texten um mehr als deren akustische Übertragung geht, wird auch recht deutlich im Roman „Der Vorleser“ des deutschen Schriftstellers Bernhard Schlick zum Ausdruck gebracht. Schließlich sollen nicht Wortgebilde transferiert, sondern Stimmungen, Gefühle oder/und Verhaltens-Impulse beim Gegenüber inszeniert werden. Das berücksichtigen in großer Verantwortung Eltern, Großeltern und andere wichtige Bezugspersonen im Umgang mit Kindern. Von Dr. Albert Wunsch

Mit einem Plakat wirbt eine Stadtteilbibliothek in München für eine Lesung. Die Lesung für Kinder mit Drag-Queens sorgt für heftige Diskussionen. Bild: picture alliance/dpa | Lennart Preiss
Mit einem Plakat wirbt eine Stadtteilbibliothek in München für eine Lesung. Die Lesung für Kinder mit Drag-Queens sorgt für heftige Diskussionen. Bild: picture alliance/dpa | Lennart Preiss

Diese Wirk-Zusammenhänge wollen jetzt sicher auch jene Akteure nutzen, welche sich nun auf dem Hintergrund ihrer recht speziellen sexuellen Selbst-Positionierung gezielt an kleine Kinder wenden wollen. Denn diese sind ein besonders leicht zu beeinflussendes Publikum. Würde man den Protagonisten aus der LGBTIQ-Szene vorschlagen, ihren Vorlese-Eifer in Altenheimen oder Hospizen anzubieten, wäre die Begeisterung für ein solches Projekt auf beiden Seiten eher gering oder würde gar auf eine klare Ablehnung hinauslaufen können.

Es geht um die Lufthoheit über den Kinderköpfen

So fand vor einigen Wochen die erste Kinderbuch-Lesung einer Drag Queen in der Türkis Rosa Lila Villa in Wien statt. Die Örtlichkeit lässt aufhorchen, denn es handelte sich um das größte soziale Zentrum der Wiener LGBTIQ-Szene. Ziel ist es, da Kinder „vor allem neugierig und auch vorurteilsfrei sind“, diesen einen Blickwickel für quere sexuelle Verhaltens-Dispositionen zu eröffnen. Diese als Früh-Sexualisierung einzustufende Absicht löste deutliche Kritik aus.

Nun hat diese Idee - ob in der Dunkelheit der Nacht oder am hellen Tag - die Grenze nach Bayern übersprungen. So will nun die Münchener Stadtbibliothek in einer als "Bilderbuch-Kino" und  "Lesung für die ganze Familie" angekündigten Veranstaltung ebenfalls kleinen Kindern durch einige Drag Queens spezielle Geschichten nahe bringen. Die Lesung soll unter dem Motto "Wir lesen euch die Welt, wie sie euch gefällt" in Bogenhausen stattfinden und richtet sich an Kinder ab vier Jahren. Ob die Inhalte wirklich den Kindern gefallen, wurde vorher nicht erfasst. Wieder gibt es Befürworter und harsche Kritik. Das nächste Ziel ist, solche Aktionen auf breite Weise in Kindergärten hineinzutragen.

Die Münchener Abendzeitung titelte dazu am 5.5.2023: "Rote Linie überschritten". Sie verdeutlichte: „Eine von der Münchner Stadtbibliothek geplante Lese-Veranstaltung für Kids ab vier Jahren zum Themenfeld Trans-Sexualität stößt bei der CSU und OB Dieter Reiter (SPD) auf heftigen Widerstand und entfacht eine Diskussion darüber, inwieweit die Zielgruppe richtig gewählt ist. Einige Tage später distanzierte sich der Münchener OB von seiner ablehnenden Position. Grüne und Linke verteidigen die Lesung der Drag Queens. - Es sollen doch nur etwas andere Geschichten kindgerecht vorgetragen werden. Wie nun die Veranstalter dazu kommen, dass Auftritte von halb nackten Männer bzw. Menschen in schrill sexualisiertem Outfit kindgerecht seien, wurde nicht erläutert. Auch die Ankündigung von Drag King „Eric Big Clit“ (dt. „Eric Große Klitoris“) scheint mit dem Sprachverständnis und Denken von Kleinkindern problemlos kompatibel zu sein. Und bei den Texten geht es schließlich auch nicht um Passagen aus dem deutschen Märchenschatz. Die Debatte spaltet die Münchner Politikszene.

Da Kinder alles Aufsaugen sind adäquate Filter notwendig

Diese Diskussion wirft jenseits eines politischen Schlagabtauschs die wichtige Frage auf, ob Drag Queen Lesungen förderlich oder gar schädlich für kleine Kinder sind. Daher sollte bei Bild- und Sprach-Mitteilungen an Kinder vorher überprüft werden, ob Darzubietendes und Erzählende für eine solche Zielgruppe wirklich geeignet sind. Fehlt dieser Prüf-Schritt, wird mancher sich an die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln erinnert. Daher muss der Maßstab allen Agierens das Kindeswohl sein.

Kinder sind wie Schwämme, welche fast alles ungefiltert aufsaugen. Sie besitzen beispielsweise noch nicht die Fähigkeit zwischen Mutter-Milch, weiß gefärbter Flüssigkeit oder Pfützen-Wasser, essbaren oder giftigen Beeren bzw. Förderlichem und Nachteiligem zu unterscheiden. Daher ist viel Sorgfalt angesagt, um Kinder nicht zu überfordern. So haben in erster Linie Eltern und weiterer vertrauter Bezugspersonen die notwendige Einschätzung, was wann wie möglich ist oder auch nicht, um Kinder mit viel Feingefühl und in großer Verantwortung situations-adäquat auf das weitere Leben vorzubereiten. Mit solchen Voraussetzungen ausgestattete Eltern bringen ihren Kindern beispielsweise in einem ersten Schritt die Grundfarben und nicht zig Zwischentöne nahe. In späteren Alterstufen sind dann - meist in der Schule - die verschiedenen Nuancen von Hell-Gelb bis zu Dunkel-Orange oder die Abgrenzung von Rosa, Pink und Hell-Rot in den Blick zu nehmen. Ein solcher Filter-Blick ist erst recht bei sehr ausdifferenzierten - mehr oder weniger förderlichen - sexuellen Neigungen bzw. Verhaltensweisen notwendig.

Wenn Vielfalt selektiert wird ist das Ergebnis rudimentär

Wie schwierig der Umgang mit dem Thema sexueller bzw. geschlechtlichen Vielfalt ist wird auch an der Selbstdefinition der LSBTI-Szene (mit oder ohne Sternchen) deutlich, da diese den gravierenden Mangel hat, die prozentual größte Personengruppe der heterosexuell orientierten Menschen in der Regel gezielt auszuklammern. Ergänzend ist zwischen einer sexuellen Orientierung und der nach außen getragenen Umgangsform zu unterscheiden. So ist die Drag Queen-Szene eine - oft künstlerische -  exzessive Form, die eigene Sexualität zu leben. Wenn diese dann z.B. nicht die erwünschte oder gar eingeforderte öffentliche Akzeptanz findet, wird damit keinesfalls automatisch die zugrunde liegende sexuelle Disposition abgelehnt. So werden die oft drastischen Selbst-Inszenierungen bei Christopher-Street-Day-Umzügen von vielen Menschen als unwürdig und obszön bewertet, ohne damit die sexuelle Orientierung der Akteure zu diskreditieren.

Diese Differenziertheit fehlt meist im Umgang mit Reaktionen auf inszenierte LSBTI-Aktionen oder – wie hier - auf ‚Lesungen für Kinder durch Drag Queens. Und wenn dann die Protagonisten solcher Aktionen mit ablehnenden Reaktionen bzw. dem Werte-Empfinden Anderer nicht umgehen können, wird mal schnell die Steinzeit-Keule geschwungen und den Kritikern rechts-radikales Denken unterstellt.

Wer Toleranz einfordert ohne sie zu erbringen, entlarvt sich als Despot

Wollen also Menschen mit einer ganz speziellen Art im Umgang mit Ihrer Sexualität bei anderen Menschen um Toleranz für Verhalten werben, setzt dies ein Tolerieren einer evtl. stark begrenzten Bereitschaft des Gegenübers voraus, damit halbwegs angemessen umgehen zu wollen bzw. zu können. Fehlt diese selbstkritische Voraussetzung, geraten vorgebliche Erzählstunden schnell zu einer Indoktrinations-Veranstaltung für kleine Kinder. Innerhalb meiner Kontakte zur queren bzw. LSBTI-Szene habe ich erfahren, dass verantwortungsbewusste Menschen andere Personen keinesfalls im Sinne ihres eigenen Sexualverhaltens oder Lebenskonzeptes subversiv bzw. manipulativ beeinflussen wollen, erst recht keine Kinder.

Ob Mehrheiten oder Minderheiten, eine Gesellschaft kann nur dann gut funktionieren, wenn alle in Würde und Achtsamkeit auf Andersartigkeit und Fremdheit reagieren. Wer jedoch Toleranz von anderen fordert ohne nicht wenigsten genau soviel Toleranz Kritikern gegenüber einbringt, sollte besser schweigen und schnell einen Grundkurs zum Erlernen eines durch Verantwortung, Achtsamkeit und Wertschätzung geprägten demokratischen Umgang buchen.

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