Diplomatischer Boykott - wie wir die Olympische Idee vor chinesischer Propaganda schützen
Nachdem das chinesische Regime Ende Juni die beliebte Hongkonger Oppositionszeitung Apple Daily zur Aufgabe zwang, konnte auch das Europäische Parlament diesen massiven Angriff auf die Pressefreiheit und die Menschenrechte nicht länger ignorieren und einigte sich auf eine Dringlichkeitsresolution zu dem Thema. Zum ersten Mal kommen in diesem Dokument auch die geplanten Olympischen Winterspiele 2022 zur Sprache. Von Engin Eroglu.

Mit der Schließung von Apple Daily endete eine Ära. Der unverhohlene Angriff auf die Presse- und Meinungsfreit, der mit dem Ende der pro-demokratischen Zeitung einhergeht ist leider nicht der erste, den wir seit der Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes vor einem Jahr erleben mussten. Auch wird es voraussichtlich nicht der letzte bleiben. Dennoch war es einer der einschneidendsten, denn mit der Schließung der Zeitung wurde eine der wichtigsten Stimmen der Demokratiebewegung in Hongkong in die Knie gezwungen. In weißen Lettern auf schwarzen Grund richtete deshalb die letzte Titelseite des sterbenden Traditionsblatts einen Appell an die Welt nicht den Blick abzuwenden. Eine Forderung, die für ganz Hongkong steht.
Besonders deshalb war es so wichtig, dass das Europäische Parlament hier entsprechend reagiert, nicht nur als Zeichen für die Menschen in Hongkong, sondern auch als Signal an die chinesische Regierung: obwohl Apple Daily zum Schweigen gebracht wurde, werden wir nicht verstummen. In der Resolution wurden dementsprechend deutliche Worte gefunden. Neben einem klaren Bekenntnis zur Pressefreiheit, Sanktionen gegen die Verantwortlichen, der Forderung nach dem Stopp der Auslieferungsverträge mit China und einer Rettungsboot-Regelung für Hongkonger stellt vor allem ein Punkt der Resolution eine Besonderheit dar. Erstmalig spricht das Parlament explizit einen diplomatischen Boykott der geplanten Olympischen Spiele in Peking im Jahr 2022 an.
Dass der Aufruf zu einem diplomatischen Boykott so gut aufgenommen wurde, ist bedeutend, denn trotz der Menschenrechtslage und der Gräueltaten der Kommunistischen Partei ist diese Forderung für viele immer noch ein kontroverses Thema. Aber mit dieser Resolution bezieht das Parlament eine klare Position: Wir können nicht zulassen, dass Diplomaten und Regierungsvertreter an dem hochkarätigen Sportereignis teilnehmen, während in unmittelbarer Nähe ein Völkermord an den Uighuren verübt wird, Hongkonger ihrer Grundrechte beraubt und Tibeter und Mongolen unterdrückt werden. Zu den internen Menschenrechtsverletzungen innerhalb des Landes kommt hinzu, dass sich Xi Jinping seinen Nachbarn gegenüber offen aggressiv verhält, immer mehr bewaffnete Einsätze in taiwanesisches Gebiet unternimmt und seine Politik der Militarisierung des Südchinesischen Meeres fortsetzt. All diese Umstände sollten es für jeden offensichtlich machen: Xi Jinping darf nicht die Möglichkeit gegeben werden, die Spiele für seine Propagandazwecke zu nutzen. Nicht nur die Sponsoren der Olympischen Spiele, sondern auch Regierungsvertreter haben daher eine Verantwortung, gegen die Handlungen des kommunistischen Regimes Stellung zu beziehen und gegen Autoritarismus klar Flagge zu zeigen.
Nachdem das Internationale Olympische Komitee bereits bei den Sommerspielen 2008 in China und 2014 in Russland die Auswirkungen auf die Menschenrechte nicht zur Kenntnis genommen hat, verschließt es nun erneut die Augen vor den offenen Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Regierung. Gleichzeitig sehen sich die chinesischen Behörden kaum mit Repressalien seitens der EU konfrontiert. Jetzt ist es an der Zeit, diesen Fehler zu korrigieren und zu verhindern, dass die Kommunistische Partei Chinas die Spiele für ihren eigenen Vorteil ausnutzt.
Nach einer so klaren Forderung des Parlaments durch die Resolution zu Hongkong müssen die Kommission und der Rat, aber vor allem auch die Mitgliedstaaten, jetzt reagieren. Das sind wir den vielen Menschen in China schuldig, die täglich unter der Kommunistischen Partei leiden. Es ist nichts anderes als Heuchelei auf der einen Seite Menschenrechtsverletzungen zu verurteilen, aber gleichzeitig der chinesischen Regierung die Möglichkeit zu geben ihr internationales Image durch das prestigeträchige Event aufzubessern. Wir sind es auch den Athleten schuldig, die sich über Jahre auf diesen sportlichen Moment vorbereitet haben, einen Rahmen zu schaffen, indem die Welt mit gutem Gewissen ihre sportliche Leistung feiern kann. Der olympische Geist, der eigentlich für Völkerverständigung, Respekt und Fairplay steht wird sonst eine auf diese Weise missbraucht, die über Jahre hinweg Konsequenzen haben wird. Daher bedarf es jetzt entschlossenem Handeln, denn dies ist keine Frage der Politik oder des nationalen Interesses, hier geht es um die Achtung der grundlegenden Menschenrechte.