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Deutschland wird ab 2021 noch grüner werden

Bei der Bundestagswahl 2017 lag die FDP klar vor den Grünen. Elf Monate vor der 2021er-Wahl kommen auf einen FDP- fast vier Grünen-Anhänger. CDU/CSU könnten sich nach heutigem Stand um zwei bis drei Punkte verbessern, die Grünen ihr Ergebnis mehr als verdoppeln, während die SPD von ihrem historischen Tief 2017 nochmals jeden vierten Wähler verlöre. Die AfD fiele von 12,6 auf unter 10 Prozent, die Linkspartei von über 9 auf unter 8. Die FDP büßte derzeit die Hälfte ihrer Stimmen ein. Von Gastautor Jürgen Fritz.

Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth, Foto: imago images / Udo Gottschalk
Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth, Foto: imago images / Udo Gottschalk

So würden die Deutschen derzeit wählen

Betrachten wir zunächst, wie die Bundesbürger im Falle von Bundestagswahlen im Moment  votieren würden. Angegeben ist für jede Partei der Wahl-O-Matrix-Mittelwert aller Institute,  die – bezogen auf den mittleren Tag der Befragung – in den letzten drei Wochen repräsentative Erhebungen durchführten. Dies waren insgesamt sechs. Aufgeführt ist für jede Partei der niedrigste und der höchste Wert dieser sechs einbezogenen Institute (für jedes Meinungsforschungs-Institut wurde die jeweils neueste Umfrage herangezogen) sowie fettgedruckt das arithmetische Wahl-O-Matrix-Mittel aller sechs Werte, in Klammern die Veränderungen gegenüber der Bundestagswahl 2027:

  1. CDU/CSU: 34 – 37 % ==> 35,5 % (+ 2,6)
  2. GRÜNE: 18,5 – 21 % ==> 19,9 % (+ 11,0)
  3. SPD: 14,5 – 17 % ==> 15,6 % (− 4,9)
  4. AfD: 9 – 11 % ==> 9,8 % (− 2,8)
  5. LINKE: 7 – 8 % ==> 7,7 % (− 1,5)
  6. FDP: 5 – 6 % ==> 5,5 % (− 5,2)
  7. Sonstige: 5 – 7 % ==> 6,0 % (+ 1,0)

(c) JFB

Die Erhebungen dieser Institute wurden ausgewertet

Die sechs Institute, die (bezogen auf den mittleren Tag der Befragung) in den letzten drei Wochen Erhebungen durchführten, welche ausgewertet wurden, waren:

  • Infratest dimap, mittlerer Tag der Befragung: 29.09.2020, telefonische Befragung von 1.501 zufällig ausgewählten Personen
  • Kantar, mittlerer Tag der Befragung: 04.10.2020, telefonische Befragung von 1.411  zufällig ausgewählten Personen
  • Forschungsgruppe Wahlen, mittlerer Tag der Befragung: 07.10.2020, telefonische Befragung von 1.229 zufällig ausgewählten Personen
  • Forsa, mittlerer Tag der Befragung: 07.10.2020, telefonische Befragung von 2.504 zufällig ausgewählten Personen
  • GMS, mittlerer Tag der Befragung: 09./10.10.2020, telefonische Befragung von 1.005 zufällig ausgewählten Personen
  • INSA, mittlerer Tag der Befragung: 10./11.10.2020, internetbasierte Befragung von 2.084 nach Quotenvorgaben ausgewählten Mitgliedern eines Befragten-Pools

Wahl-O-Matrix, Deutschlands führendes Meta-Analyse-Tool (von JFB gegründet), hat damit eine recht breite Datenbasis von insgesamt 9.734 Befragten.

Mögliche Regierungskoalitionen: Die Reise scheint klar in Richtung Schwarz-Grün zu gehen

Für eine Mehrheit der Sitze im Bundestag wären (wegen der 6,0 Prozent für sonstige Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern nicht über 50, sondern) ca. 47 Prozent der Stimmen notwendig. Folgende Koalitionen wären zu erwarten und kämen auf …

  • Schwarz–Grün: 55,4 %
  • Schwarz–Rot: 51,1 %
  • Grün–Rot–Dunkelrot: 43,2 %
  • Schwarz–Gelb: 41,0 %
  • Grün–Rot–Gelb (Ampel): 41,0 %

Derzeit hätte also sowohl Schwarz-Grün als auch Schwarz-Rot deutlich über 47 Prozent der Stimmen und damit eine klare Mehrheit der Sitze im Parlament. Für Grün-Rot-Dunkelrot würde es nicht reichen, noch weniger für Schwarz-Gelb oder Grün-Rot-Gelb.

Eine weitere schwarz-rote Regierungskoalition ist kaum zu erwarten, da die SPD nach 2005, 2013 und 2017 sich wohl nicht noch ein viertes Mal überwinden wird, in eine Koalition mit der Union einzutreten, die sie eigentlich nicht will und nie wollte. Zudem steht dieses Mal nach heutigem Stand eine klare Alternative mit nur einer anderen Partei zur Auswahl: den Grünen. Diese wollten schon 2017 unbedingt in die Regierung eintreten. Damals brauchte man noch die FDP, die nach wochenlangen Verhandlungen für eine schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koalition im letzten Moment absprang. Doch die FDP, die zudem um etwa die Hälfte geschrumpft ist seither, wird man nun nicht mehr brauchen, sofern sie überhaupt in den nächsten Bundestag einziehen wird. Selbst das scheint derzeit angesichts der mageren ca. 5,5 Prozent nicht sicher. Insofern deutet derzeit alles auf eine schwarz-grüne Bundesregierung hin im nächsten Jahr.

Die Grünen halten die SPD deutlich auf Abstand

Hier die Entwicklung der Stärke der Parteien in den letzten vier Jahren: Man sieht, die Grünen sind von ca. 7 Prozent kommend in 2017 auf bis zu 26 Prozent nach der EU-Wahl 2019 gestiegen, dann nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie abgefallen bis ca. 16 Prozent und in den letzten fünf Monaten wieder angestiegen auf fast 20 Prozent. Die Union kann ihr Hoch von über 38 Prozent nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie zwar nicht ganz halten, fällt aber nur moderat und bleibt über 35 Prozent.

Die SPD schafft und schaff es nicht, deutlich über 15 Prozent zu steigen, während die AfD von einst 17 Prozent bis auf knapp 10 Prozent gefallen ist, wo sie sich zu stabilisieren scheint. Die Linkspartei bleibt in ihrem schmalen Korridor von 7,5 bis 10 Prozent und dort die letzten Monate im untersten Bereich unter 8 Prozent. Die FDP ist seit dem Ausstieg aus den Jamaika-Koalitionen kontinuierlich gefallen, verstärkt ab Januar 2020, von ca. 11 Prozent Ende 2017 auf jetzt 5,5 Prozent.

Dawum-Screenshot

Deutschland wird ab 2021 noch grüner werden

Schon jetzt ist der Einfluss der Grünen auf die deutsche Politik enorm. Denn sie sind nicht nur im Bundestag als Fraktion vertreten. Die Grünen regieren derzeit bereits in 11 der 16 Länderregierungen mit: 

  • in Hessen seit 2014: schwarz–grüne Landesregierung unter dem Ministerpräsidenten Bouffier (CDU)
  • in Hamburg seit 2015: rot–grüne Landesregierung zunächst unter dem Ersten Bürgermeister Scholz, inzwischen Tschentscher (SPD)
  • in Sachsen-Anhalt seit 2016: schwarz–rot–grüne Landesregierung unter dem Ministerpräsidenten Haseloff (CDU)
  • in Baden-Württemberg seit 2016: grün–schwarze Landesregierung unter dem Ministerpräsidenten Kretschmann (Grüne)
  • in Rheinland-Pfalz seit 2016: rot–gelb–grüne Landesregierung unter der Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD)
  • in Berlin seit 2016: rot–dunkelrot–grüne Landesregierung unter dem Regierenden Bürgermeister Müller (SPD)
  • in Schleswig-Holstein seit 2017: schwarz–gelb–grüne Landesregierung unter dem Ministerpräsidenten Günther (CDU)
  • in Bremen seit 2019: rot–grün–dunkelrote Landesregierung unter dem Ersten Bürgermeister Bovenschulte (SPD)
  • in Brandenburg seit 2019: rot–schwarz–grüne Landesregierung unter dem Ministerpräsidenten Woidke (SPD)
  • in Sachsen seit 2019: schwarz–rot–grüne Landesregierung unter dem Ministerpräsidenten Kretschmer (CDU)
  •  in Thüringen seit 2020: dunkelrot–rot–grüne Landesregierung unter dem Ministerpräsidenten Ramelow (Die Linke)

Man sieht hier sehr gut: Die Grünen haben es in den letzten Jahren geschafft, dass sie außer von der AfD von jeder anderen im Bundestag vertretenen Partei als möglicher Bündnispartner akzeptiert werden und sie selbst sind umgekehrt bereit, mit jedem anderen außer der AfD zu koalieren: mit der SPD, aber auch der CDU, der FDP und sogar mit der Linkspartei (SED-Nachfolgerin). Insofern haben sich die Grünen optimal positioniert, um 2021 endlich wieder in die Bundesregierung einzutreten, was sie schon 2017 unbedingt wollten. An ihnen geht kaum noch ein Weg vorbei.

Dabei haben die Grünen drei mögliche Optionen: als Anführer von Grün-Rot-Gelb als Notlösung. Wahrscheinlicher ist aber als Anführer von Grün-Rot-Dunkelrot, was den Vorteil hätte, den Kanzler stellen zu können, oder aber – noch wahrscheinlicher – Schwarz-Grün. Dann würden sie den Vizekanzler stellen, wahrscheinlich Habeck oder Baerbock, eventuell auch Özdemir. Auf jeden Fall aber wird der Einfluss der Grünen auf die deutsche Politik, der über den Bundestag und über die elf Länderregierungen ohnehin schon enorm ist, noch größer, Deutschland damit noch grüner werden.

Quelle: Jürgen Fritz

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