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Gesellschaft & Kultur > Deutschland nach 15 Jahren Merkelismus

Gibt es einen neuen politischen Frühling für Angela Merkel über 2021 hinaus?

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Das Geheimnis von Angela Merkels Erfolg für 15 Amtsjahre: ein unprätentiöser, unaufgeregter Führungsstil und eine flexible, unideologische Politikagenda. Ein Gastbeitrag von Thomas König.

Kanzlerin Angela Merkel, Foto: Shutterstock
Kanzlerin Angela Merkel, Foto: Shutterstock

Angela Merkels Kanzlerschaft jährt sich dieser Tage zum 15. Mal. Vor ihr haben bereits Konrad Adenauer und Helmut Kohl eine jeweils ähnlich lange Kanzlergeschichte geschrieben. Zusammen kommen die drei auf 45 von insgesamt 70 Kanzlerschaftsjahren in der Nachkriegszeit. Abgesehen davon, dass Angela Merkel eine der wenigen Amtsinhaberinnen unter den ansonsten männlichen Staats- und Regierungschefs ist, repräsentiert sie auch noch die kleine Gruppe ostdeutscher Führungskräfte. Vielleicht wurde Angela Merkel auch deshalb anfänglich unterschätzt, die sich ausgerechnet in der eher konservativen Union ohne starken Landesverband so lange an der Spitze halten und politisch durchsetzen konnte.

Merkels politischer Erfolg – mittlerweile bekannt unter dem Begriff des Merkelismus – basiert auf zwei wesentlichen Merkmalen. Erstens einen für heutige Staats- und Regierungschefs außergewöhnlich unprätentiösen, unaufgeregten und geradezu anachronistisch erscheinenden unpopulistisch-sachlichen Führungsstil. Anstatt Respekt gegenüber der Kanzlerin einzufordern und notfalls mit der Faust auf den Tisch zu schlagen, reagiert Angela Merkel still und gefasst auf Provokationen, aber verfolgt beharrlich ihre Ziele. Zweitens ist im Gegensatz dazu ihre politische Agenda offenkundig unideologisch, thematisch wechselhaft und eher opportunistisch an der Mitte des Mehrheitswählers orientiert. Ob Energiewende, Bundeswehrreform, Mindestlohn, Migration, Covid-19 oder europäische Fiskalunion – Angela Merkels Politik verortet sich stets in der Mitte der schwankenden Wählergunst. Zu diesem Zweck werden selbst tiefgreifende parteiideologische Kurswechsel ohne großes Wenn und Aber vollzogen.

Ungeachtet aller Herausforderungen und Krisen sichert dieser Merkelismus der Union eine Dominanz, ohne die eine Regierungsbildung nicht möglich ist oder zumindest fast unmöglich erscheint. Und als Verantwortliche sichert diese Dominanz den Führungsanspruch Angela Merkels auf eine Kanzlerschaft, die im Amt eine Richtlinienkompetenz vorsieht. Dafür muss sich die Union unter Angela Merkel immer wieder entscheiden, ob ihr der Erfolg bei Wahlen wichtiger ist als ihre konservative Parteiideologie. Das führt bisweilen zu innerparteilichen Streitigkeiten insbesondere zwischen CDU und CSU, aber auch innerhalb der CDU mit den eher konservativen Kräften. Und auch die anderen Parteien – ob Koalitionspartner oder Opposition – leiden unter der Dominanz einer Partei bzw. einer unideologischen Führung, die sich populäre Themenalternativen zu eigen macht und dadurch andere wie Statisten aussehen lässt. Weder Liberale, Sozialdemokraten noch die Grünen können im Merkelismus die Gunst des Mehrheitswählers gewinnen.

Laut Angela Merkel wird ihre Kanzlerschaft in einem Jahr enden. Aufgrund ihres unprätentiösen, unaufgeregten und geradezu unpopulistischen Führungsstils erscheint diese Aussage glaubwürdig. Allerdings spricht die unideologische, wechselhafte und außerordentlich opportunistische Orientierung an der Gunst des Mehrheitswählers eher für eine Verlängerung einer Kanzlerschaft, die spätestens seit dem Ausbruch der Covid-19 Pandemie der Union und auch der Kanzlerin einen neuen Frühling bei der Mehrheit der Wähler beschert. Angela Merkel ist seither wieder mit Abstand die populärste Spitzenpolitikerin und die Union dominiert mit Abstand in der Wählergunst. Vielleicht liegt es am Ende wieder an der Union, ihre konservative Parteiideologie für eine Verlängerung des Merkelismus zu opfern. Ob einer der gehandelten Kandidaten für den Parteivorsitz tatsächlich als Ersatz für Angela Merkel in Frage kommt, bleibt abzuwarten.

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