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Gesellschaft & Kultur > Der ökologische Pluspunkt im Corona-Konjunkturpaket

Das Elektroauto ist nicht alternativlos

Während der Großteil der Kommentatoren ins Konjunkturpaket der Bundesregierung eine Art Endsieg über den Verbrennungsmotor hineininterpretiert, wird übersehen, dass ganz nebenbei das Dogma von der Alternativlosigkeit der batteriebetriebenen E-Mobilität gefallen ist.

Feinstaub Stickoxide Ökobilanz : Kaufentscheidung E-Autos || Nur für redaktionelle Verwendung, picture alliance / dieKLEINERT.de / ..... Schwarwel | ..... Schwarwel
Feinstaub Stickoxide Ökobilanz : Kaufentscheidung E-Autos || Nur für redaktionelle Verwendung, picture alliance / dieKLEINERT.de / ..... Schwarwel | ..... Schwarwel

Man muss die Große Koalition preisen: Immerhin neun der insgesamt 130 Milliarden Euro werden locker gemacht, um eine heimische Wasserstoffindustrie aufzubauen. Die „Nationale Wasserstoffstrategie“, von der seit Monaten nur die Rede war, nimmt plötzlich Fahrt auf und soll kommenden Mittwoch das Kabinett passieren. Das Konjunkturprogramm zur Abmilderung der Folgen der Corona-Krise macht’s möglich. Die interessanteste Konkurrenz zur derzeitigen Elektroauto-Technik wird damit wohl marktfähig werden.

Tesla-Chef Elon Musk, von vielen wie ein Messias der automobilen Zukunft verehrt, weiß, warum er seit längerem mit  Aplomb gegen Wasserstoff-Fahrzeuge zu Felde zieht. Brennstoffzellen (fuel cells) seien Idiotenzellen (fool cells) lautet sein aggressives Wortspiel. Der E-Auto-Pionier aus Kalifornien fürchtet, dass die Verantwortlichen, die über die Verteilung  von Fördergeldern entscheiden, nicht länger einseitig auf seine Form des Elektroantriebs setzen könnten.

 Schattenseiten der E-Mobilität

Batteriefahrzeuge haben zweifelslos eine Zukunft. Ein E-Smart beispielsweise, der vorwiegend in der Stadt bzw. auf Kurzstrecken genutzt wird, verkörpert modernen Fahrspaß. Zweiräder gar, vom E-Bike bis zum Motorrad, sind jedem stinkenden Zweitakter sowieso hochüberlegen, zudem verschwenden sie keine Energie für Heizung, Klimaanlage und Fensterheber. Alleinseligmachend sind batteriebetrieben Motoren gleichwohl nicht.

 

Der erste Nachteil ist ihre mangelnde Reichweite. Autos, die z.B. mehr als einen kurzen Tankstopp auf der Strecke von München nach Hamburg brauchen, werden sich marktwirtschaftlich nie ganz durchsetzen können. Selbst wenn es genügend Ladestationen gäbe,  darf nicht übersehen werden, dass Schnell-Ladungen für jede Batterie einen thermischen Ausnahmezustand darstellen, der ihre Lebensdauer drastisch verringert. Hand aufs Herz: Das Akkufahrzeug taugt einfach nicht für Langstrecken.

Das zweite Manko: Herkömmliche E-Motoren sind für den Güterverkehr ungeeignet. Lastwagen, die nicht von Ladestopp zu Ladestopp zuckeln wollen, müssten tonnenschwere Batterien an Bord haben. Doch LKW sollen Güter transportieren und nicht ihre eigenen Aggregate durch die Gegend fahren.

Der dritte Nachteil ist die fragwürdige Ökobilanz von E-Autos. Der Rohstoff Lithium, ohne den man keine Batterien bauen kann, wird in Südamerika unter skandalösen Umweltbedingungen gefördert, Landschaften werden zerstört, das Grundwasser verseucht. Kobalt, das man ebenfalls braucht, wird in Afrika oft unter sklavenähnlichen Bedingungen, ja sogar mittels Kinderarbeit gewonnen. Hinzu kommt die schwierige Entsorgung von verbrauchten Akkus, die das Gerede von der sanften und völlig sauberen E-Mobilität vollends als Rosstäuscherei entlarvt.

Kein Entweder-Oder

Der Haupteinwand gegen Brennstoffzellen-Antriebe ist ihr schlechterer physikalischer Wirkungsgrad im Vergleich zu Batterien. Die Gewinnung von Wasserstoff verbraucht gewaltige Mengen an Elektrizität.  Teil der Wasserstoff-Strategie ist deshalb der Aufbau großer Elektrolysewerken. Der Strom dafür wiederum soll aus Ökoanlagen kommen. Es wäre endlich Schluss mit der absurden Vernichtung von überproduziertem Strom aus Solar- oder Windkraftwerken an sonnen- oder windreichen Tagen. Auch könnte eine Ansiedelung der Wasserstoff-Produktionsstätten in der Nähe von Windparks in stürmischen Küstenländern dem ökologischen Widersinn ein Ende bereiten, norddeutschen Windstrom natur- und landschaftszerstörend durch die Republik in den wirtschaftsstarken Süden zu transportieren. Wasserstoff ließe sich über vorhandene Pipelines pumpen.

Zur Wasserstoff-Strategie gehört überdies die Förderung von klimaneutralem Flugbenzin. In der sogenannten „Power-To-Liquid“-Methode kann aus Wasserstoff ein synthetischer Treibstoff hergestellt werden, mit dem sogar die Generation-Greta in Zukunft ohne Flugscham wieder zum Abi-Ausflug nach Ibiza reisen könnte.

Technologieoffen

Auch wenn Kritik an Teilen des Corona-bedingten Konjunkturpakets berechtigt sein mag, der Anschub der Wasserstoff-Strategie kann nicht genug gelobt werden. Hatte man bisher den Eindruck, die herrschende Meinung setze eindimensional auf die ambivalenten Batterieautos, scheint sich nun endlich eine Zukunftsstrategie durchzusetzen, die kein Entweder-Oder will, sondern einen intelligenten Energiemix beabsichtigt. Und Wasserstoff aus Elektrolyse ist selbstverständlich nicht die einzige und letzte Möglichkeit. „Pyrolyse“ heißt z.B. ein weiteres zukunftsweisendes Stichwort.

Vielleicht begreifen die vielen Zivilisationskritiker, Fortschrittsskeptiker und Technikphobiker hierzulande irgendwann einmal, dass nicht weniger, sondern nur mehr Technologie unsere Umweltprobleme lösen kann. So gesehen ist dieser Teil des Konjunkturprogramms vielleicht sogar eine Mentalitäts-Investition: Nicht weniger Ingenieur-Denken, sondern nur mehr Ingenieur-Kunst ist unsere Zukunft.

 

 

 

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