Vor dem Bundesgerichtshof: Deutsches Patent behauptet sich gegen Microsoft
Vor Gericht sind wir alle gleich. Wer diesem Anspruch an die deutsche Justiz bisher keinen Glauben schenken wollte, könnte durch ein Urteil des BGH vom 7.Oktober eines Besseren belehrt werden. Denn im Rechtsstreit zwischen dem IT-Giganten Microsoft und dem deutschen Forschungsunternehmen Zoe Life Technologies AG, deren Vorgänger bereits im Jahr 2006 ein Patent für grundlegende Technologien des Cloud-Computings anmeldeten, entschied das oberste deutsche Zivilgericht zu Gunsten des Underdogs. Strafzahlungen für den US-Konzern und für weitere IT-Schwergewichte wie Google, IBM und Amazon AWS werden damit wahrscheinlicher.

David gegen Goliath und ein richtungsweisendes Urteil für Softwarepatente
Für Dr. Heiner Pollert, CEO der Patentpool Gruppe, der auch die Zoe Life Technologies AG angehört, ist das Urteil, das den Schlusspunkt eines jahrelangen Rechtsstreits bildet, „ein Meilenstein in der Patentierung von Software“. In Folge des jüngsten Richterspruchs ließen sich Softwarepatente nunmehr durch alle Patentämter weltweit schützen und konsequent durchsetzen, so der Jurist.
Die dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Basistechnologie für das frühe Internet und das heutige Cloud Computing entstammt einem Konzept vom deutsch-amerikanischen Computerwissenschaftler Hardy Schloer. In Zusammenarbeit mit der Patentpool Gruppe sicherte er sich 2006 die Schutzrechte an dem technischen Know-How, was heute als das Fundament der dynamischen Webinhalte gelten kann. Trotz des großen Potenzials und zahlreicher Fachpublikationen stießen Schloers Ideen zu Anfang des Jahrtausends bei den großen Namen der IT-Industrie zunächst auf wenig Aufmerksamkeit. Nach Angaben der Patentpool Gruppe wurden die angebotenen Kooperationen von Microsoft wie auch von anderen namhaften Vertretern der IT-Branche sogar mehrfach abgelehnt. In den Führungsetagen und bei den Verantwortlichen in der Entwicklung sahen viele keine Notwendigkeit für dynamische Websites, das Tracking von Kundendaten galt zudem als moralisch nicht vertretbar, erinnert sich Schloer heute an die Vorbehalte.
Das änderte sich erst 2012, als Microsoft Teile der geschützten Technologie - allerdings in Eigenregie - für sein Cloud-Angebot einsetzte. Konzerne wie Amazon AWS, IBM und Google folgten. Es entwickelte sich ein Markt, dessen heutiges Umsatzvolumen von 445 Milliarden Dollar sich nach Prognosen bis 2026 mehr als verdoppeln soll.
Nutzung ohne Lizenz: Auftakt zu Millionenforderungen
An die einstigen Erfinder, die mit ihren Konzepten für eine sichere Datenkommunikation und das serverseitige Erstellen von Webseiten, die technische Basis für das Milliarden-Geschäft legten, schien bis zum Prozessauftakt keiner der Akteure bei Microsoft und Co. ernsthaft gedacht zu haben. Mit dem juristischen Rückenwind durch die BGH-Entscheidung jedoch will das siegreiche deutsche Forschungsunternehmen - notfalls durch weitere Klagen - Ersatz für den durch die Patentrechtsverletzungen entstandenen Schaden verlangen, wenn sich nicht beide Seiten vorher über eine nachträgliche Einräumung der Lizenzen verständigen.
Dass die Zoe Technologies AG damit Erfolg haben und Microsoft zur Kasse bitten könnte, ist mit dem höchstrichterlichen Urteil, in dem der Zivilsenat die Wirksamkeit des Patents in letzter Instanz bestätigte, wahrscheinlicher geworden. „Auf die Microsoft Deutschland GmbH können Kosten in Millionenhöhe zukommen. Zumal Ansprüche bis zu zehn Jahre rückwirkend geprüft werden können“, erklärt Pollert und verweist darauf, dass auch in Großbritannien die Rechtslage für die Patentinhaber spreche. Dort solle nun ebenfalls ein weiteres rechtliches Vorgehen geprüft werden.
Patentinhaber gestärkt: Mehr Rechtssicherheit für IT-Innovationen
Dabei ist der nach Marktkapitalisierung größte IT-Konzern nicht das erste und wohl auch nicht das letzte High-Tech-Unternehmen, das sich mit weiteren Forderungen wegen Patenrechtsverletzungen konfrontiert sehen könnte. Große Handyproduzenten und Mobilfunkanbieter mussten nach internationalen Verfahren bereits Summen in dreistelliger Millionenhöhe als Schadensersatz für die unerlaubte Nutzung patentierter IT-Erfindungen aufbringen. Venture Capitals, Company Builder und zukunftsversierte Unternehmen wie die Patentpool Gruppe, die seit über zwei Jahrzehnten die Umsetzung technologischer Innovationen auf dem wachsenden IT-Markt nicht nur finanzieren, sondern auch operativ begleiten und über die Anmeldung von einer Vielzahl von Patenten rechtlich abzusichern suchen, dürften sich dagegen in ihrem Ansatz durch den nunmehr auch letztinstanzlich anerkannten Schutz von Softwarepatenten bestätigt sehen.