Den verfassungsrechtlichen Ausnahmezustand kann man nicht mehr rechtfertigen
Der Bundestag hat über das „Dritte Bevölkerungsschutzgesetz“ der Bundesregierung beraten, meine Fraktion hat mit Nein gestimmt. Warum, erklärt Sahra Wagenknecht.

Ich lehne dieses Gesetz ab, weil ich die darin definierten Grenzwerte für willkürlich und die damit verbundenen radikalen Grundrechtseinschränkungen für nicht akzeptabel halte.
Natürlich ist es sinnvoll, die hohen Infektionszahlen einzudämmen. Die Situation in vielen Krankenhäusern ist ernst. Aber diese Situation war vorhersehbar, sie hat vor allem mit dem chronischen Mangel an Pflegepersonal zu tun. Dagegen hätte man etwas unternehmen müssen, statt jetzt tiefe Eingriffe in Grundrechte im Eildurchgang durchzupeitschen. Der verfassungsrechtliche Ausnahmezustand war im Frühjahr nachvollziehbar, jetzt kann man ihn nicht mehr rechtfertigen. Warum gibt es bis heute keine seriösen Untersuchungen über Infektionswege und die Rolle, die Restaurants oder überfüllte Schulbusse spielen? Warum wurden die Sommermonate nicht genutzt, um das Gesundheitssystem auf die zweite Welle – die ja nun wirklich nicht überraschend kam – vorzubereiten?
Wo ist das zusätzliche medizinische Personal, mehr Pflegekräfte – vor allem auf den Intensivstationen? Wo sind die Mittel für zusätzliches Personal an den Schulen für die geforderten kleineren Gruppen, für Lüftungsgeräte oder wenigstens funktionierende Fenster?
Warum werden immer noch willkürliche Grenzwerte festgelegt, auf deren Grundlage ganze Branchen ruiniert werden?
Die Zeit im Sommer wurde verschlafen, nur um jetzt wieder in einem undemokratischen HauRuck-Verfahren drastische Einschränkungen durchzudrücken. Das ist der absolut falsche Weg, mit den Problemen umzugehen.
Der Kampf gegen das Virus darf nicht länger abseits demokratischer Kontrolle stattfinden.