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Gesellschaft & Kultur > Aktuelle Inzidenzideologie überdenken

Philosoph Nida-Rümelin: Deutsche Inzidenzideologie muss ersetzt werden

Die aktuelle deutsche Inzidenzideologie muss dringend ersetzt werden durch eine differenziertere Betrachtung des Pandemie-Geschehens. Von Julian Nida-Rümelin.

Inzidenz muss neu geacht werden, fordert Nia-Rümelin, Quelle: Shutterstock
Inzidenz muss neu geacht werden, fordert Nia-Rümelin, Quelle: Shutterstock

Das einfachste wäre wohl die Inzidenzen zu gewichten mit ihrer jeweiligen Aussagekraft für Morbidität und Mortalität. Wenn man davon ausgeht, dass sich dieses Verhältnis durch DELTA nicht wesentlich geändert hat und man sich ausschließlich an Morbidität orientiert, könnte das etwa so aussehen: Inzidenzen in der Bevölkerung unter 35 Jahre werden mit 0.003 gewichtet (also multipliziert), der zwischen 35 und 45 mit 0.021, der zwischen 35 und 45 mit 0.06, der zwischen 45 und 55 mit 0.21, der zwischen 55 und 65 mit 0.6, der zwischen 65 und 75 mit 2.1, der zwischen 75 und 85 mit 6, der über 85 mit 21. Damit hätte man eine gegenüber dem ursprünglichen Inzidenzwert vergleichbare Größe, wenn man der RKI-Vermutung folgt, dass die Letalität von COVID19 in der deutschen Gesamtbevölkerung bei ca 1 liegt.

Sinnvoll wäre es Morbidität, insbesondere Hospitalisierungsquoten, Intensivbett-Pflichtigkeit und LongCovid in die Gewichtungen einzubeziehen. Selbstverständlich kann man den Bewertungsmaßstab weiter ausdifferenzieren und kontinuierlich über die Jahrgänge gewichten.

Wenn das der Politik zu kompliziert ist, kann man auch radikaler vorgehen und alle Inzidenzen unter 35 unbeachtet lassen, da sie mit Risiken einhergehen, die unter solchen anderer Infektionskrankheiten liegen. Das zweite Maß ist allerdings sehr vergröbernd.

Eine dritte Variante wäre, die verfügbaren statistischen Daten auszuwerten und als Kriterium für das Ende aller Maßnahmen die Schwelle zu allgemeinen Lebensrisiken, insbesondere Influenza, zu nehmen: bei welchem Grad der Durchimpfung welcher Bevölkerungsteile ist diese Schwelle erreicht (möglicherweise ist sie schon erreicht, die aktuellen britischen Erfahrungen sprechen dafür).

Eine vierte Variante wäre die Aufrechterhaltung der AHA Regeln und weiterer Maßnahmen wie Lüftungssysteme in den Schulen, um R niedrig zu halten und Herdenimmunität schon bei 50 Prozent zu erreichen. Immerhin lag R nach der ersten Welle in Deutschland nie über 1,5, auch nicht als sich die Delta-Variante durchsetzte.

Es gibt also einiges zu diskutieren für die MPs und das Kanzleramt. Wollen wir hoffen, das dies unvoreingenommen und rational erfolgt. Der Umstand, dass diese Beratungen mitten im Wahlkampf erfolgen, stimmt mich skeptisch.

Quelle: Facebook

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