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Gesellschaft & Kultur > Airbnb: Mehr als heiße Luft in der Matratze?

In Europa bläst Airbnb der Wind ins Gesicht

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In Europa bläst Airbnb der Wind ins Gesicht. Mithilfe von Verordnungen soll der Kurzvermietung ein Riegel vorgeschoben werden, die Hotelbranche baut fest darauf

Airbnb, Quelle: Shutterstock
Airbnb, Quelle: Shutterstock

Eigentlich sind die Zeiten vorbei, 13 Jahre nämlich, seit Airbnb, Inc. („Airbed & Breakfast“) aufgepumpte Schlafstellen und ein WG-Frühstück bot für soviel Geld, dass die Monatsmiete durch wenige Gäste bereits bestritten wurde: Die Gründer aus dem teuren und unter Unterkunftsknappheit leidenden San Francisco, vor allem Joe Gebbia und Brian Chesky, machten aus dem Mini-Business ein weltweites Geschäftsmodell. Investoren fanden sich gleich und zuhauf, und daran nun wiederum hat sich nichts geändert. Im Dezember rissen sich die Anleger an der NASDAQ um Aktien der beiden Herbergsväter. Wer schon den US-Essenslieferer Doordash ins Depot legte und noch Geld übrig hatte, musste schon zu Beginn 146 Dollar berappen, bei 68 Dollar (bereits erhöhtem) Ausgabekurs. 3,5 Milliarden Dollar sackte die Firma ein, an der Börse ist das ehemalige Einquartierungs-Startup mehr als 100 Mrd. Dollar wert. Dabei hatte Corona Airbnb zunächst einen herben Einbruch beschert. Das Unternehmen entließ 1900 Mitarbeiter, der Umsatz im ersten Dreivierteljahr brach um ein Drittel ein. Dass kein Gewinn hängenbleibt, muss wohl nicht gesondert erwähnt werden – ausgerechnet das jüngste Quartal war eine kleine Ausnahme mit einem Plus von 219 Millionen Dollar. Window-dressing für die Börse?

Natürlich ist auch längst der „Spirit“ der frühen Tage verhaucht. Der Gastgeber, wie der Vermieter bei Airbnb immer noch heißt, der seine zahlenden Besucher bei sich zu Hause privat einquartiert, ist ein Auslaufmodell. Professionelle Anbieter möblierter Unterkünfte sind inzwischen die Regel, oft in touristisch gesuchten Gegenden, Wohngebieten also, die selbst nicht dort leben und mitunter ehemals fest vermietete nun zum Kommen und Gehen anbieten, lukrativ natürlich und ungern gesehen bei den betroffenen Stadtvätern und -Müttern.

Paris, London, Berlin: In Europa bläst Airbnb der Wind ins Gesicht. Mithilfe von Verordnungen soll der Kurzvermietung ein Riegel vorgeschoben werden, die Hotelbranche baut fest darauf. Denn auch Geschäftsreisende sind zunehmend auf den Airbnb-Zug aufgesprungen, vor allem seit Unternehmen an den Spesen knapsen. Natürlich sammelt sich nicht erst seit gestern die Konkurrenz. Ferienwohnungen mieten oder Unterkünfte im Apartmenthaus, dazu noch Hotels, das können Booking.com, Fewo-direkt und andere natürlich auch. Die Gewinnchancen von Airbnb sind somit irgendwie gedeckelt, und so richtig ist auch noch nicht klar, woher eine ordentliche Spanne kommen soll. Denn die Provisionen sind schon nicht von Pappe – und zwischen Bezahlung durch den Gast und der Zahlung an den Vermieter können Wochen, gar Monate liegen, in denen Airbnb mit dem Geld arbeitet; 15 Prozent behält der Vermittler sowieso ein. Die erheblichen Marketingkosten dürften eher noch zunehmen, und die Rechtshändel auch. Manche Städte sind weder zimperlich noch phantasielos, wenn es gilt, die ungebetenen Gäste aus privaten Vierteln fernzuhalten – dem Vernehmen nach mieten mancherorts die Kommunen den Leerstand selbst und treten dann als Vermieter mit – mutmaßlich – mehr sozialem Gewissen auf. Rechtliche Probleme tauchen mitunter auch zwischen der Plattform und seinen beiden Kundengruppen auf. Wer bei Schäden an der Unterkunft haftet, ist oft unklar. Erfüllt eine Seite ihre Versprechungen nicht, ist der Beschwerdeweg mühselig, wie bei anderen schnell gewachsenen und damit anonymer werdenden Internetanbietern ist das Eingehen auf persönliche Probleme nicht so richtig vorgesehen. Aus solchen Mängeln kann im Medium der Massen schnell ein Shitstorm werden, und wenn man mal bei bestimmten Kundengruppen „out“ ist, kann es durchaus bergab gehen. Facebook erlebt es beim Renommee, wenn auch noch nicht dramatisch an der Börse. Jedenfalls haben Wall Street und die Technologiebörse NASDAQ einen erstaunlichen IPO-Dezember erlebt, das widerspricht so gut wie allen Expertenprognosen nach dem verheerenden Frühjahr.

2020 hat die Börse wieder einmal den Mutigen gehört. Unterstützt natürlich von den großen westlichen Zentralbanken mit ihrer Geldpolitik, die einseitig andere Anlageformen unattraktiv erscheinen lässt. Um im Jahr 2021, selbst bei einem anzunehmenden Rückgang der Corona-Pandemie und einer gewissen Normalisierung, auf dem Wellenkamm zu bleiben, könnte nochmals viel regelmäßige Aufmerksamkeit verlangt werden vom Aktienanleger – die Zeiten des Sich-Schlafenlegens und Abwartens in aller Gelassenheit sind bei bestimmten konservativen Werten womöglich nicht vorbei, aber insgesamt sollte man doch vielleicht eher schreckhaft sein und keine längerfristigen Annahmen zur Grundlage seiner Strategie machen. Airbnb ist dabei etwas für spezielle Vorlieben, an der Börse jedenfalls.

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