Diese Waffe fürchtet Putin – Das Panzerabwehr-System „Javelin FGM-148“
Dass Waffensysteme Kriege entscheiden können, ist bereits seit dem Einsatz der englischen „Tanks“ im Ersten Weltkrieg eine militärische Binsenwahrheit. Doch im Russland-Ukraine-Konflikt könnte jetzt eine Superwaffe zum Einsatz kommen, mit der das russische Militär derzeit noch wenig Erfahrung hat. Von Stefan Groß-Lobkowicz.

Beim Javelin Medium Antiarmor Weapon System (englisch für „Wurfspeer“ und „Mittleres Panzerabwehr-Waffensystem“) handelt es sich um die erste tragbare Fire-and-Forget-Panzerabwehrlenkwaffe. Entwickelt wurde sie in den Vereinigten Staaten und ist seitdem bei den amerikanischen Streitkräften im Einsatz. Das von den Herstellern Raytheon und Lockheed Martin produzierte Lenkwaffensystem kann aus großer Entfernung gegen Panzer, gepanzerte Fahrzeuge oder Bunker eingesetzt werden. Der Hersteller geht von einer Trefferwahrscheinlichkeit von 94 % aus.
Klein, leicht und sehr mobil ist die „Javelin FGM-148“, die als modernste Panzerabwehrwaffe der Welt gilt. Das komplette System ist nur 22,8 kg schwer und knapp über einen Meter lang. Auf 200.000 Dollar pro Stück beliefen sich die Kosten, die das US-Militär für das Jahr 2018 bezifferte. Und mehr noch: Für jeden einzelnen Schuss werden bis zu 100.000 US-Dollar fällig.
Bereits 1996 wurde das System bei der United States Army und dem United States Marine Corps als Ersatz für die FGM-77 Dragon eingeführt und wird mittlerweile in etwa ein Dutzend Staaten exportiert. So sind Kanada, Bahrain, Georgien, Jordanien, der Oman, Taiwan, die Vereinigten Arabischen Emirate, Australien, Neuseeland, Estland, Frankreich, Irland, Litauen, Norwegen, Tschechien und das Vereinigte Königreich mittlerweile im Besitz der Superwaffe. Deutschland und Russland hingegen haben das panzerbrechende Geschoss nicht im Waffenarsenal.
Seit der völkerwidrigen Annektierung der Halbinsel Krim durch den russischen Präsidenten Waldimir Putin setzt Amerika verstärkt auf die Unterstützung des osteuropäischen Landes. Schon damals hatte sich die Führung in Kiew um Javelin-Raketen bemüht. Die „Fire and Forget“-Waffe hätte einen optimalen Einsatz, da die Gefechte im Osten der Ukraine zumeist in relativ dicht bebautem Gebiet stattfanden.
Im Jahr 2019 verkauften die USA unter dem EX-US-Präsidenten Donald Trump der Ukraine die Anti-Panzer-Raketen. Damals waren es 150 Panzerabwehrwaffen. Zu der Lieferung im Wert von 39,2 Millionen Dollar (35,8 Millionen Euro) gehörten auch zehn Abschusseinheiten und zugehörige Ausrüstung. Der Verkauf sei, wie das US-Außenministerium damals mitteilte, im nationalen Interesse der USA und werde der Ukraine helfen, ihre „Souveränität und territoriale Unversehrtheit“ zu verteidigen. Zuvor hatte Trump die Waffe an Georgien und die baltischen Staaten geliefert.
Genau auch von diesen Staaten bekommt die Ukraine jetzt Unterstützung. Estland, Lettland und Litauen liefern dem ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Oleksandrowytsch Selensky Panzerabwehrraketen und Flugabwehrsysteme. So wird Estland „Javelin-Panzerabwehrraketen“ schicken, Lettland und Litauen Stinger-Flugabwehrraketen sowie weitere Ausrüstung. Aber auch Tschechien bereitet Rüstungslieferungen an die Ukraine vor. Laut Verteidigungsministerin Jana Cernochova gehe es konkret um Artilleriegranaten des Kalibers 152 Millimeter. „Es würde sich um ein Geschenk handeln“, sagte die Politikerin der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) von Ministerpräsident Petr Fiala.
Trotz der militärischen Übermacht Moskaus sorgt gerade die „Javelin“ in Moskau für Verstimmung im Kreml – und dies nicht nur, weil man über keine verfügt, sondern weil das System eine akute Bedrohung darstellt. Anders als ältere Modelle wie die russische Kornet AT-14 oder die amerikanische TOW, die von einem schweren Launcher mit einem Dreibein aus gestartet werden, ist die „Javelin“ flexibel. Es braucht auch keine zwei Soldaten mehr, die die schwere Abschussvorrichtung aufbauen und das Ziel während des Anfluges der Raketen anvisieren müssen. Dagegen überzeugt die „Javelin“, die wie der Abschnitt eines Ofenrohres aussieht, durch ihre Kompaktheit. Ähnlich wie eine Panzerfaust wird sie von der Schulter eines einzigen Soldaten oder als montierter Aufbau auf einem Fahrzeug abgefeuert. Das Ganze funktioniert nach dem Prinzip Feuer und Vergessen. Im Praxistest zeigte sich, dass eine Rakete ausreicht, um einen Panzer zu zerstören. Das Ziel wird dabei mittels eines Bildschirmsystems anvisiert und dieses findet die Waffe dank Infrarotsensorik automatisch. Der technisch-militärische Clou der fliegenden Wärmebildkamera „Javelin“ liegt dabei darin, dass sie nicht direkt auf ihr Ziel zusteuert, sondern zuerst sehr steil in eine Höhe von hundertfünfzig Metern aufsteigt, um dann die Panzer nicht von vorn, sondern an seiner sensibelsten Stelle – von oben – zu treffen. Dort ist die Panzerung, selbst bei schwer gepanzerten Main-Battle-Tanks, nicht besonders dick und auf der Oberseite fehlen fast immer Elemente einer Reaktiv-Panzerung, die den angreifenden Raketensprengkopf wegsprengen sollen. Selbst die modernsten und aktiven Abwehrsysteme wie das Afganit-System des T-14 Armata des russischen Militärs haben Schwierigkeiten, einen Gefechtskopf abzuschießen, der sich von oben nähert. Hinzu kommt, dass der sogenannte „Wurfspeer“ noch über weitere Vorteile gegenüber vergleichbaren Systemen verfügt. Die Rakete wird nicht vom Hauptantrieb aus dem Start-Tubus abgefeuert, sondern mit einem sanften Start ausgeworfen, um dann in einiger Entfernung erst zu zünden. Dadurch lässt sich die Position des Schützen kaum mehr verorten. Zudem kann die Waffe auch in engen Räumen und Deckungen benutzt werden, ohne dass die eigenen Soldaten vom Feuerstrahl der Rakete verletzt werden.
Daher sind bei den Russen die „Javelin-Raketen“ gefürchtet. Denn auch der modernste Kampfpanzer der russischen Streitkräfte, der „T-90M Proryv-3“, hat kaum Möglichkeiten, die Wirkung der Gefechtsköpfe abzufangen. Erschwerend kommt für Putins Krieger hinzu, dass sie mit der amerikanischen Superwaffe kaum Erfahrung haben. Anders als beispielsweise das lasergesteuerte Kornet-System, das aus Sowjetzeiten stammt und über das auch die Russen verfügen, ist die „Javelin FGM-148“ ein völlig anderes Kaliber. Einziges Manko der Superwaffe bleibt ihre kurze Reichweite von nur 2000 Metern.
Die „FGM-148 Javelin“ ist eine kleine Waffe mit großer Wirkung. Ihre einzigen Probleme allerdings bleiben der hohe Preis und die kurze Reichweite. Ob sie bei einem möglichen Kampfgeschehen mit Russland tatsächlich Einfluss auf militärische Erfolge hat, bleibt abzuwarten. Sicher aber ist, dass sie beim Einsatz den Russen viel Geld kosten und große Verluste zufügen könnte.