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Europa > Liz Truss wird wohl neue Premierministerin

Das Maggie Thatcher-Double dürfte Boris Johnson beerben

Im Machtkampf um Johnsons Nachfolge hat Liz Truss beste Siegchancen. Die Parteibasis der Torys liebt sie, weil sie allerlei Erinnerungen an Margaret Thatcher weckt. Doch diese Rolle spielt sie recht dreist. Von Wolfram Weimer

Quelle: Shutterstock
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Liz Truss liegt in Umfragen weit vorne, bei den britischen Wettanbietern sogar sehr weit. Laut der Wettbörse Smarkets liegen ihre Siegchancen jetzt bei sagenhaften 90,9 Prozent, die Nachfolge von Boris Johnson anzutreten. Keine vier Wochen nachdem der britische Premierminister seinen Rücktritt angekündigt hat, wählen die Mitglieder der konservativen Tory-Partei eine Nachfolgerin. Die rund 200.000 Parteimitglieder können ihre Stimmen bis zum 2. September abgeben, doch es müsste schon eine Wunderwende passieren, dass Truss die Wahl noch gegen den Ex-Finanzminister Rishi Sunak verliert.

Die Stimmung an der Parteibasis ist ihr so enorm gewogen, weil Truss vielen Konservativen als eine Wiederkehr von Margaret Thatcher erscheint.

Die eiserne Lady, die von 1979 bis 1990 als erste Premierministerin Großbritannien mit großer Strahlkraft regierte, wird bei Torys als Legende verehrt. Und Liz Truss hat systematisch daran gearbeitet, dass die Legende mit ihr verbunden wird. So hat Truss Fotos in Umlauf gebracht, auf denen sie bekannte Aufnahmen von Thatcher kurzerhand nachstellt. Mal trägt sie bei einer Fernsehdebatte eine altmodische, riesige weiße Schleife - genau so wie die, mit er Thatcher 1979 vor die Kameras getreten war. Ein andres Mal bringt sie sich auf einem Kriegsschiff oder aus der Luke eines Panzers exakt in Thatcher-Positur. Bei einem Besuch in Moskau trug sie einen langen Mantel und eine übertrieben dicke Fellmütze – genau wie Thatcher 35 Jahre zuvor. Truss erntet für dieses Foto-Stalking reichlich Gespött - doch zugleich erreicht sie das gewünschte Ziel, dass sie mit Thatcher in Verbindung gebracht wird. Das Narrativ verfestigt sich damit. Ihre Fans feiern sie als „the new Maggie“, auch weil sie ähnlich kernige Positionen vertritt, eine klare Linie als offensive Wirtschaftsliberale, die sich mit offenem Visier gegen linke Moden und jeden Etatismus stellt. Die Außenministerin werde „die veraltete wirtschaftliche Orthodoxie aufheben und unsere Wirtschaft auf konservative Weise führen“, schreibt Finanzminister Nadhim Zahawi in einem Beitrag für die Zeitung „Telegraph“. Zahawi hatte selbst für das Amt des Premierministers kandidiert, unterstützt jetzt aber Truss.

Sie verspricht - wie weiland Tatcher - sofortige Steuersenkungen und will die Bürger um 30 Milliarden Pfund entlasten, durch die Abschaffung einer Treibstoffabgabe und die Senkung der Sozialabgaben. Au­ßerdem ist sie gegen die höhere Körperschaftsteuer ab nächstem Frühjahr.

Doch auch in ihrer Art zu sprechen, hat Liz Truss einige Thatcher-Elemente eintrainiert - lange Pausen mit einem altdamenhaften Macht-Lächeln zu überbrücken oder pantominenartige Gesten zu angriffslustigen Sprachschablonen zu servieren.

Wenn Truss Steuererleichterungen fordert, die britische Rüstung lobt und gegen Russland ledert, dann klingt das zwar nach Thatcher, aber es klingt nicht nach ihrer eigenen Biografie. Denn sie stammt aus einem Elternhaus von Thatcher-Gegnern mit explizit linker Gesinnung. Ihr Vater, ein Mathematikprofessor, und ihre Mutter, die Lehrerin war, nahmen Liz und ihre drei Geschwister des öfteren zu linken Demonstrationen und Friedensmärschen mit.

Auch als Studentin an der Oxford-Universität profilierte sie sich als Präsidentin der „Liberal Democrat Society“ mit Forderungen, die bei Konservativen normalerweise zu Schnappatmung führen, etwa zur Abschaffung der Monarchie.

Auch als junge Abgeordnete profilierte sie sich eher liberal und modernistisch, noch als Ministerin votierte sie beim EU-Referendum 2016 für einen Verbleib in der EU. Seitdem Partei und Fraktion sich aber als Brexit-Kampftruppe formierte, wechselte ihre Haltung ins völlige Gegenteil. Seither tritt sie auf, als habe sie den Brexit selbst erfunden. Und sie bekennt so laut zu libertären Grundfesten des Thatcherismus, als habe sie den am sozialistischen Küchentisch der Eltern ganz alleine ausgeheckt. Ihre Reden sind heute schiere Proklamationen für Freihandel, Patriotismus und Konservativismus Von ihrem liberalen Vor-Brexit-Leben scheint nichts mehr überlebt zu haben.

Diese Positionswechsel bringen ihr den Vorwurf ein, besonders opportunistisch und berechnend zu sein.

Eingefleischte Thatcher-Fans sehen sie daher gerade nicht als Gralshütern fester Überzeugungen. Und die politische Opposition verunglimpft sie als Schauspielerin ihrer selbst. Der Leitartikel des „Guardian“ sieht sie daher nicht als neue Verkörperung von Thatcher sondern als Wiedergängerin von Boris Johnson. Truss bekümmert das wenig - ihr Strategie, als Thatcher-Double Karriere zu machen, scheint aufzugehen.

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Dieser Artikel erscheint zuerst auf n-tv.de

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