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Europa > Im Fall Nawalny wird der Kalte Krieg wieder heißgekocht

Fall Nawalny: Wir können Putin nicht immer verdächtigen

Nur weil die Sowjetunion Nowitschok entwickelt hat, muss der heutige Täter also nicht zwingend aus Russland kommen; man kann es aber natürlich auch nicht ausschließen. Angesichts der dünnen Faktenlage ist das jedoch genauso spekulativ wie jede andere Schuldzuweisung. Sevim Dagdelen fordert in ihrem Beitrag, die Faktenlage zu prüfen, bevor der Kreml angeklagt und Nord-Stream 2 gestrichen wird.

Putingegner Alexei Anatoljewitsch Nawalny bei einem Gedenkmarsch zur Erinnerung an den Tod von Boris Jefimowitsch Nemzow, Foto: imago images / ITAR-TASSNawalny
Putingegner Alexei Anatoljewitsch Nawalny bei einem Gedenkmarsch zur Erinnerung an den Tod von Boris Jefimowitsch Nemzow, Foto: imago images / ITAR-TASSNawalny

Ich bin erstaunt, wie viele aus der Ferne gleich so hundertprozentig sicher wissen, wer Nawalny mit Nowitschok vergiftet hat und warum deshalb zwingend Nord Stream 2 gestoppt werden muss – ein Pipelineprojekt, das erklärtes Ziel im US-amerikanischen Wirtschaftskrieg gegen Russland ist und dessen Stopp Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen in die Karten spielen dürfte. Wenn ausgerecht der US-Präsident nun mit Verweis auf die Vergiftung von Nawalny ganz im Sinne der amerikanischen Fracking-Industrie das Aus für Nord Stream 2 fordert, ist das an Heuchelei nur schwer zu übertreffen, importieren die Vereinigten Staaten doch gleichzeitig selbst russisches Erdöl auf Rekordniveau!

Zu den doppelten Standards im aktuellen Fall gehört auch, dass Saudi-Arabien im Gegensatz zu Russland keine Sanktionen fürchten muss, auch wenn der saudische Journalist Jamal Khashoggi in einem saudischen Konsulat auf NATO-Boden zersägt und in einem Säurebad aufgelöst worden ist. Im Gegenteil, die westlichen Waffenexporte an die Kopf-ab-Diktatur in Riad gehen munter weiter. Auch die türkische Autokratie wird munter hofiert, ungeachtet der unerbittlichen Verfolgung der Opposition im Land und den militärischen Aggressionen gegen Syrien und den Irak, dem Bruch des UN-Waffenembargos für Libyen und den Kriegsdrohungen im Mittelmeer.

Richtig im Fall Nawalny ist: Die Nervenkampfstoffe der Nowitschok-Gruppe wurden in der ehemaligen Sowjetunion entwickelt. Und es ist nicht auszuschließen, dass Russland und die anderen Nachfolgestaaten nach wie vor noch Restbestände haben. Fakt ist allerdings auch, dass sich der deutsche Auslandsgeheimdienst BND die Nowitschok-Gifte Ende der 90er Jahre besorgt und an Partner in der NATO weitergegeben hat. Man kann und muss also davon ausgehen, dass auch andere Länder und ihre Geheimdienste über Nowitschok verfügen. Die chemische Struktur und mögliche Herstellungswege sind bekannt. Aus der Art des eingesetzten Kampfstoffes lässt sich also nicht zwingend auf eine bestimmte Täterschaft schließen. Siehe dazu:

Nur weil die Sowjetunion Nowitschok entwickelt hat, muss der heutige Täter also nicht zwingend aus Russland kommen; man kann es aber natürlich auch nicht ausschließen. Angesichts der dünnen Faktenlage ist das jedoch genauso spekulativ wie jede andere Schuldzuweisung. Um Gewissheit zu schaffen, sind daher weitgehende Kooperation und Transparenz notwendig, auf Seiten der russischen wie deutschen Regierung. Statt weiter wertvolle Zeit zu vergeuden, sollte die Bundesregierung endlich ihre Untersuchungsergebnisse übermitteln. Die Beweise müssen auf den Tisch, gerade auch, um Verschwörungstheorien vorzubeugen!

 

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