Das Corona Hilfsprogramm der EU ist notwendig
Der Wiederaufbaufond der EU als Folge der Corona-Krise wurde soeben verabschiedet. Die Schlagwörter lauten „Reform, Repair, Remodel“. Dabei werden verschiedene Stimmen laut, wie immer, dafür und dagegen, es werden Gewinner und Verlierer benannt und gefunden. Doch gehen wird der Sache einmal auf den Grund. Was sind die Fakten, fragt unsere Autorin Beatrice Bischof.

Das EU Finanzpaket mit Laufzeit von 2021-2026 umfasst eine Summe von 750 Milliarden Euro davon 360 Milliarden an Krediten, 390 Milliarden Zuschüsse. Sie werden zusätzlich zum Haushaltsrahmen von 1074, 3 Milliarden „locker gemacht“. Wir sprechen somit von einem Budget von 1824, 3 Milliarden Euro. Der Beschluss erfolgte durch eine qualifizierte Mehrheit, beruhte nicht auf Einstimmigkeit.
Die einen erblicken einen „historischen Moment“, die anderen den Niedergang der Sozialen Marktwirtschaft.
Wir blicken in die Vergangenheit. Einen Plan zur Erholung der europäischen Wirtschaft, das gab es schon einmal. Nach dem Zweiten Weltkrieg. Das European Recovery Program, besser bekannt unter dem Namen Marshall Plan. Damals entworfen von der amerikanischen Regierung, US-Außenminister George C. Marshall, Staatssekretär William L. Clayton und dem Leiter des Planungsstabs George F. Kennan. Das Programm dauerte vier Jahre, von 1948 bis 1952. Die Summe der Gelder ca. 14 Milliarden US Dollar. Westdeutschland erhielt ca. 1, 4 Milliarden. Die Gesamtsumme entspricht dem heutigen Geldwert von 130 Milliarden US Dollar. Von der Gesamtsumme an Westdeutschland wurde bis 1966 etwa 1 Milliarde durch den Bund über den Haushalt direkt abbezahlt und der Rest erlassen.
Die Ziele des Marshallplans waren humanitärer, politischer und wirtschaftlicher Natur. Humanitär und politisch, weil die hungernde und notleidende Bevölkerung sich zu den kommunistischen Parteien hingezogen fühlte. Es galt sie einzudämmern, dem amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman zufolge „Ich bin der Ansicht, dass wir den freien Völkern beistehen müssen, ihr eigenes Geschick auf ihre Weise zu bestimmen.“ wie es Truman 1947 in seiner Erklärung ausdrückte und seine Truman Doktrin oder auch Containment Politik darlegte. Wirtschaftlicher Natur, da die USA ebenfalls ihre Absatzmärkte benötigte und Europa ein wichtiger davon war. Die USA brauchte Europa zur Selbsterhaltung und dort eine gesunde koordinierte Wirtschaft. Doch in Europa waren die Industrien zerstört, ebenso wie die Infrastruktur, es musste auf Friedenswirtschaft umgestellt werden. Europa brauchte eine liberale Handelspolitik, ein gesundes Verhältnis von Export und Import, ein funktionierendes System der Arbeitsteilung, Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft. Doch der Rahmen für Europa sollte Aufgabe der Europäer sein, wie George C. Marshall in seiner berühmten Rede in Harvard 1947 betonte, die USA würden lediglich freundschaftliche Hilfe leisten. Deutschland müsse einbezogen werden. Die Sowjetunion, vertreten durch Außenminister Molotow sah darin einen imperialistische Vorstoß der USA, obwohl sie auch einbezogen werden sollte. Doch sie wollte eine Abrechnung nach Kriegsleistung und den Ausschluss Deutschlands. Das Ziel des Marshallplans war nach General Robertson 1948 Selbsthilfe und Zusammenarbeit aller Länder. Zusammenarbeit im Geiste der Selbstlosigkeit, die allgemeine Verschmelzung der Industrie in ganz Westeuropa. Jeder Teilnehmerstaat muss zu den gemeinsamen Fonds seinen Beitrag leisten.
Doch um was geht es im Kern.
Die Diskussion heute: Es geht um den Wiederaufbau der angeschlagenen Wirtschaften der Eurozone nach der Corona-Krise. Die Mitgliedstaaten sind in unterschiedlichem Ausmaß und bei unterschiedlicher Reaktionsfähigkeit betroffen. Die Krise ist mit einem Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP) der EU 8 – 10 % besonders schwer. Sie wirkt asymmetrisch und vertieft bestehende ökonomische und soziale Gräben zwischen den Mitgliedstaaten. „Daher ist ein besonderes Konjunkturpaket europäischer Dimension so wichtig, quasi ein „Wumms“ aus Brüssel“, wie Björn Hacker das in nennt.
Besonders umstritten dabei die Frage „Kredite oder Zuschüsse“. Es scheiden sich die Geister. Die EU könnte als eigenständiger Akteur am Finanzmarkt auftreten. Die Verschuldung ist enorm, Rückzahlung in weiter Ferne, die Anleihen sollen 30 Jahre laufen. Hierin wird die Gefahr gesehen, dass sich Europa überhebt. Von Konservierung fiskalisch unhaltbarer Zustände ist die Rede ebenso wie von einer Überdehnung des Staates. Und schließlich vom Bürgerverdruss durch eine mutwillig entfachte Inflation. Kredite und Zuschüsse müssen ausgewogen sein, erklären etwa die „Sparsamen Vier“ oder wie Christian Lindner sagt „die vernünftigen Vier“, die er in Nachfolge nicht etwa der Briten sondern Wolfgang Schäubles sieht. Gewarnt wird dabei vor der Versuchung Gegenwartskonsum zu betreiben, um gegenüber der Bevölkerung als populär zu erscheinen. Die Schuldenaufnahme soll daher begrenzt und einmalig sein, Kredite und Zuschüsse ausgewogen, die Kontrolle der Zuweisungen muss bei den Mitgliedstaaten liegen. Die Auszahlung muss an Fortschritte gebunden sein, um keine Strukturdefizite zu finanzieren. Reformen sollen die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten stärken. Lindner spricht sich gegen EU-Steuern aus, da die Einspruchsmöglichkeit der Bevölkerung wegen des indirekten Zugangs gering ist. Gegner dieser Ansicht wie Björn Hacker betonen, dass die Anhebung der Kreditvergabe die Schuldenlast der Empfängerländer weiter in die Höhe treibt und die nächste Eurokrise dann vor der Tür steht.
Doch auch für den Marshallplan galt, der größte Teil waren Subventionen (9, 3 Milliarden Dollar), der Rest Darlehen und „bedingte Hilfe“. Die Subventionen wurden in Dollar geleistet, mit denen Waren und Investitionsgüter importiert werden konnten. Sie mussten nicht zurückgezahlt werden. Die Regierungen mussten jedoch den Gegenwert der ihnen zugewiesenen Dollarbeträge in Landeswährung in Sonderfonds (Gegenwertfonds) einzahlen. Sie dienten zu 95 Prozent der Förderung des nationalen Wiederaufbaus. Von besonderer Bedeutung in Deutschland war hier die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die am 16. Dezember 1948 in Frankfurt am Main ihre Arbeit aufnahm. Das System funktionierte wie folgt: Westdeutschland erhielt die Mittel in Form von Wirtschaftsgütern, v.a. Nahrung, Treibstoff, Medikamente, der Kaufpreis ging an die KfW, welche diese Mittel wiederum zur Kreditvergabe nutzte, wofür Westdeutschland die US Dollar denominierte Schuldenlast der Importe trug, die die USA vorweg finanzierte. Die Voraussetzungen schuf im November 1948 der Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, mit Herrmann Josef Abs im Vorstand.
In Österreich funktionierte die Regelung etwas anders, hier gab es Auflagen darüber hinaus: Österreich erhielt als einziger Staat, der zeitweise von sowjetischen Truppen besetzt war, Marshallplan Hilfe. Es erhielt die Mittel in Form von Grants, Geschenken-Sachgütern. Im Gegenzug musste Österreich den Schilling stabilisieren und den Staatshaushalt möglichst ausgeglichen halten. Die Sowjetunion ließ sich die Zustimmung in der alliierten Kommission mit einem anderen Wechselkurs für ihr Barvermögen abkaufen. Die erhaltenen Waren mussten zum Inlandspreis verkauft, die Einnahmen auf ein Counterpart-Konto eingezahlt werden. Die Warenlieferungen erfolgten bis 1953 und erreichten einen Wert von ungefähr einer Milliarde Dollar. Die US-Regierung übergab das Counterpart-Konto mit einem Guthaben von 11, 2 Milliarden Schilling erst am 1. Juli 1962 an Österreich, daraus entstand der ERP Fonds, der seit 2002 von der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft, der Förder-und Finanzierungsbank der Republik Österreich verwaltet wird. Die Förderungen für Österreich waren relativ hoch, da Österreich vor dem Zweiten Weltkrieg sehr schwach industrialisiert war und zum anderen die sowjetische Besatzungszone von den Sowjets wirtschaftlich ausgebeutet wurde.
Es geht um Bedingungen und Strukturfragen:
Von der Corona Krise besonders betroffen und durch die Gelder begünstigt sind Italien, Spanien, Frankreich, aber auch Polen und Deutschland werden großzügig bedacht, weit weniger erhalten Ungarn und Österreich. Bemängelt wird hier, dass Italien 208,8 Milliarden für eine, wie man sagt, „dysfunktionale italienische Staatlichkeit“ erhält. Damit ist Italien einer der Gewinner des Deals, doch wie Gabor Steingart es nennt „Europa hat dem italienischen Patienten keine Medizin verabreicht sondern neue Halluzinogene gespritzt“. Die „Sparsamen Vier“ fordern daher die Bindung der Auszahlungen an Fortschritte, um zu verhindern, dass frisches Geld in Strukturdefizite fließt. Reformen müssen die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten stärken. Man konnte sich auf folgende Bedingungen einigen: Mittel werden nach einem Verteilungsschlüssel vergeben, der sich in den Jahren 2021 und 2022 v.a. aus der Wirtschaftskraft und der Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den vergangenen fünf Jahren ergibt. Von 2023 an soll dann statt der Arbeitslosenzahlen die Wirtschaftsentwicklung der Vorjahre herangezogen werden. Um das Geld zu bekommen, müssen nationale Reform-und Investitionspläne für die Jahre 2021-2023 eingereicht werden. Die Pläne müssen erst von der EU Kommission, dann vom Rat der Finanzminister mit qualifizierter Mehrheit genehmigt werden. Die Auszahlung erfolgt in Tranchen, abhängig von den Reformfortschritten in dem jeweiligen Land. Darüber entscheidet die Kommission nach Rücksprache mit dem Ministerrat. Findet ein Mitgliedsland die Reformen im Empfängerland für unzureichend, kann es Einspruch einlegen. Die Kommission stoppt die Auszahlung, die Beilegung der Frage erfolgt auf Staats-und Regierungschef-Ebene.
Um Bedingungen und Strukturfragen ging es auch im Zuge des Marshallplans. Neben den Bedingungen: Förderung des Wiederaufbaus, im Fall von Österreich Währungsstabilisierung und Konsolidierung des Staathaushalts ging es auch um Strukturfragen. Konrad Adenauer stellte sich gegen die völlige Demontage und Zerstörung der deutschen Industrie, kleinere und mittlere Betriebe sollten gestärkt werden, keine starke Konzentration einzelner Industriezweige. Wirkliche Demokratie auch auf wirtschaftlichem Gebiet. Auch die Vorschläge des Vier Jahres Programms bei der Marshall Plan Konferenz im September 1947 zielten darauf: Jedes der beteiligten Länder sollte auf dem Gebiet der Landwirtschaft, der Energieversorgung, des Transportwesens und der Modernisierung seiner industriellen Anlagen eine Erhöhung seiner Leistung anstreben. In Landwirtschaft, Bergbau und Industrieproduktion sollte der Vorkriegsstand bis 1951 erreicht werden. Nötig dazu Einfuhren von Nahrungsmitteln, Rohstoffen, Kapitalien aus Amerika.
Der Unterschied: Die Subventionen, „Geschenke“ von damals waren nicht nur in Geld sondern auch in Waren, was eine gewisse Deckung der Geldsituation darstellte. Im Vergleich dazu zeigte sich die Lage nach dem Zweiten Weltkrieg wie folgt, die Landwirtschaft war vernichtet, es gab Nahrungsmittelengpässe, der Hungerwinter 1946/47 führte zu Unruhen, die zerstörte Infrastruktur und der Mangel an Kohle waren weitere Probleme. Deutschland sollte Reparationen leisten, es war in vier Besatzungszonen aufgeteilt, die Leitung oblag dem Alliierten Kontrollrat. Doch der Hunger war der Umerziehung (Reeducation) der Deutschen abträglich, die Republikaner im US Kongress forderten die Rückkehr zum Isolationismus, die Teilung und Demontage Deutschlands (Morgenthau Plan), doch Truman setzte auf eine andere Karte. Die USA müsse weltpolitische Verantwortung übernehmen, das Ergebnis war die Truman Doktrin.
Zum Verhältnis von Politik und Wirtschaft:
Bemängelt an dem EU Wiederaufbaufond heute wird, dass die soziale Marktwirtschaft Schaden genommen hat. „Der Retterstaat…will sich jetzt spüren. Europa will nicht mehr „Wettbewerbshüter“ (Walter Eucken) und „Schiedsrichter“ (Ludwig Erhard) sein, sondern Marktmacher und Torschützenkönig.“ (Gabor Steingart). Ziel der von den Wirtschaftsprofessoren Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack entwickelten Sozialen Marktwirtschaft war es, dass der Staat nur eingreift, um soziale Ziele zu erreichen wie Kündigungs-und Kartell-, Gesundheitsschutz und Schutz vor Sicherheitsrisiken. Auch das Privateigentum wird geschützt, aber die Verantwortung im Umgang damit betont. Die Freiheit der Wirtschaft und ein funktionierender Wettbewerb sollen also geschützt werden während Wohlstand und soziale Sicherheit gefördert werden. „Wohlstand für alle“ bei wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und sozialem Ausgleich.
Doch was heißt das heute, da die neuen Herausforderungen Globalisierung, Digitalisierung und demographischer Wandel heißen. Nach dem Bundeministerium für Wirtschaft und Energie, vertreten durch Peter Altmaier, gilt es daher die Soziale Marktwirtschaft zu erneuern, zu stärken und zukunftsfest zu machen. Aufgabe der Politik ist es die Rahmenbedingungen im Sinne des Wohlstands für alle zu definieren. „So viel Markt und so wenig Bürokratie wie möglich“. Punkte sind dabei: die Sicherung des Wettbewerbs, Leistungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Rechtlich ist die Soziale Marktwirtschaft nicht explizit im Grundgesetz festgeschrieben, aber zentrale Elemente der Rechtsordnung wie Existenz von Privateigentum, Vertrags-und Koalitionsfreiheit, Recht auf freie Berufs-und Arbeitsplatzwahl legen die Grundlage für die Soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftssystem Deutschlands. Wichtig ist ein handlungsfähiger Staat, der Regeln durchsetzt und verlässliche Rahmenbedingungen sicherstellt. Doch wie soll die Soziale Marktwirtschaft nun für die neuen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts Globalisierung, Digitalisierung, demographischer Wandel, die Entwicklung Europas und die Energiewende „wetterfest gemacht werden“? Die Soziale Marktwirtschaft ist in ihrer 70 Jährigen Geschichte immer wieder neu justiert worden, um neuen Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Dabei ist entscheidend in zukunftsträchtige Technologien und Innovationen zu investieren, die breite industrielle Basis und den deutschen Mittelstand zu stärken und die Digitalisierung in der Wirtschaft voran zu treiben. Damit der Mittelstand das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bleibt und weiterhin gut bezahlte und sichere Jobs schafft, braucht es neue, breite Gründungsoffensive von der Bäckerei bis zum digitalen Start-up. Die gute und robuste Verfasstheit der Wirtschaft beruht aber auch darauf, dass Deutschland gegen weltweite Trends seine industrielle Basis verteidigt hat. Diesen industriellen Kern zu sichern bedarf es einen Ausbau der digitalen Infrastruktur in Deutschland, Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz müssen vorangetrieben und verwertet werden. Europa muss gestärkt werden. Als größte Handelszone der Welt schafft die EU nicht nur Wirtschaftskraft sondern Einfluss um Standards weltweit zu gestalten. Deshalb muss der digitale europäische Binnenmarkt gerade auch mit Blick auf die Entwicklung der Plattformökonomie geschaffen werden. International muss sich Deutschland als Exportland für den freien Welthandel einsetzen. Die Energiewende muss mit Augenmaß gestaltet werden. Bis 2030 sollen 65 Prozent der Elektrizität aus erneuerbaren Quellen kommen, doch muss die Versorgung stabil bleiben, die Energiepreise nicht die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen einschränken und die Verbrauchen zu stark belasten. Auch international tritt Deutschland für das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft ein. Ludwig Erhard verband als „Direktor der Verwaltung für Wirtschaft“ der drei westlichen Besatzungszonen die Währungsreform 1948 mit der Aufhebung der Zwangswirtschaft. Begünstigt durch den Marshallplan beschert sein Reformprogramm Nachkriegsdeutschland einen ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung. Die Herausforderungen der 60er Jahre dann Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit durch aktive Wirtschaftspolitik zu bekämpfen. Das führte zum sogenannten Stabilitäts-und Wachstumsgesetz. Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ist seitdem eine feste Zielbestimmung für die Bundesregierung. Das schließt die nachfrageorientierte Investitionstätigkeit des Staates ein. Ein Dialog zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft zum Thema „Zukunft in Wohlstand“ wird von Peter Altmaier dazu betrieben. Denn während die deutsche Wirtschaft im Maschinenbau, der Metallverarbeitung und beim Verbrennungsmotor Spitze ist, bestehen in den Bereichen Plattform-Wirtschaft, künstliche Intelligenz oder Elektromobilität Verbesserungspotential.
Europa wird gestaltet: Es werden dazu erstmals „Schulden von allen für alle“ aufgenommen und damit eine „Next Generation EU“ eingeleitet. Die Finanzierung des Corona-Pakets läuft über Anleihen und Steuern (Digital-und Plastiksteuer). Damit ist der Grundstein für eine Fiskalunion mit gemeinsamen Schulden und Steuern ist damit auf dem Weg. Die EU kann als eigenständiger Akteur am Finanzmarkt auftreten, kann sich auf dem internationalen Kapitalmarkt eigenständig verschulden. Die Bindung der Geldervergabe an die Rechtstaatlichkeit macht aus der EU eine Wertegemeinschaft. Es gibt also neben den wirtschaftlichen Gründen auch politische Auswirkungen. Die politischen Ambitionen werden mit diesem Corona Fond sichtbar: Die europäische Staatlichkeit, die von der EU Kommission über die Europäische Entwicklungsbank und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) bis zur EZB reicht, ist ein auf Dauer angelegtes Herrschaftssystem. Das 1, 8 Billionen Budget soll die Einigung des Kontinents befördern, die Folgen des Klimawandels und der Pandemie bekämpfen.
Den ersten Schritt zu dieser europäischen Integration legte aber schon der Marshallplan. „ The program should be a joint one, agreed to by a number, if not all European nations.“ Verkündete Marshall 1947 in Harvard. Die Gründung einer gemeinsamen Institution (der OECD) war eine Voraussetzung dafür, dass Zollbarrieren abgebaut wurden. Eine beabsichtigte Konsequenz war die systematische Übernahme des amerikanischen Führungsstils in Unternehmen. Von Forschern wird daher das schnelle Wachstum der westeuropäischen Länder nach dem Krieg v.a. dieser Liberalisierungspolitik zugeschrieben, die dafür sorgte, dass zwischenstaatliche Handelsbeschränkungen reduziert oder abgeschafft wurden. Die Linien für Europa riss Churchill auf dem Europa Kongress in Den Haag im Mai 1948 an. Den Völkern Europas musste die Furcht vor der „Deutschen Gefahr“ genommen und der Ruf des deutschen Volkes wieder hergestellt werden. An der europäischen Idee sollten alle Völker des Kontinents teilnehmen, deren Lebensart nicht im Widerspruch zur Charta der Menschenrechte steht. Er betonte hier also bereits die Wertbindung. Weitere Bestandteile waren die politische Resolution: die Pflicht eine wirtschaftliche und politische Union zu schaffen, auf eigene Souveränität zu verzichten, eine europäische Verfassung ins Leben zu rufen und sich an die Charta der Menschenrechte zu halten. Die wirtschaftliche Resolution sprach von einem Ausgleich der Rivalitäten und der wirtschaftlichen Notwendigkeit, der Aufhebung der Zollschranken, dem Ausgleich des Budgets, multilateralem Clearing, Konvertibilität der Währungen, einem gemeinsamen Programm der Schlüsselindustrien, der Koordination des Verkehrswesens, dem freien Wechsel der Arbeitsplätze mit dem Fernziel einer Zollunion, dem Ausgleich der Währungen.
Vieles, wenn nicht fast alles, ist umgesetzt worden, doch ist man sich heute nicht einig in der EU. Es gibt sogenannte Blöcke: Als neue Allianz innerhalb der EU tritt nun die Gruppe der marktliberalen Skeptiker „Allianz der Sparsamen“ auf, geführt vom dem niederländischen Premier Mark Rutte. Schweden, Dänemark und Finnland sind dabei. Sie sind Nettozahlerländer, knüpfen an die Freihandelstradition an, treten für solide Finanzen und Wettbewerbsfähigkeit ein. Ideologisch sind sie völlig unterschiedlich aber pragmatisch orientiert und treten für eine Begrenzung der Dimensionen und Vergabekriterien ein. Das Ergebnis, die Zuschüsse werden von 500 auf 390 Milliarden Euro begrenzt. Sie ließen sich ihre Zustimmung zum Fond teuer abkaufen. Der Österreichische Kanzler Sebastian Kurz schließt sich dort wirkungsvoll an. Dabei gelingt es ihm noch die jährliche Rabattsumme für Österreichs Beitrag zum EU Budget um 138% zu steigern. Aber vielleicht ist Angela Merkel laut Björn Hacker auch ganz zufrieden, dass andere sich als Buhmänner aufspielen, damit aber auch den deutschen Budgetrabatt gerettet und die von der Springer Presse bereits heftig kritisierten Zahlungen Richtung Südeuropa stärker konditioniert sind. Das Rabattsystem wurde 1984 als Britenrabatt (Margret Thatcher) eingeführt. Einzahlungen in den EU Etat werden Subventionen und Beihilfen gegenüber gestellt. Wird mehr eingezahlt als zurückfließt spricht man von Nettozahlern. Es gehören nach den Briten, Deutschland, die Niederlande, Österreich und Schweden dazu. Günther Öttinger wollte diese Beitragsrabatte 2017 schon einmal abschaffen. Daneben gibt es schon seit Längerem die Liga der mittel-und osteuropäischen Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei ), die Visegárd Länder und die südlichen Länder (Spanien, Portugal, Italien, Griechenland). Dominant, jedoch, ist seit Gründungstagen die deutsch-französische Achse, sie steht für fast die Hälfte der gesamtwirtschaftlichen Leistungen der EU und treibt den von Ursula von der Leyen gewünschten Plan der Corona-Fonds voran. Angela Merkel hat ihre Position in Sachen EU Verschuldung geändert, aus „aufgeklärtem Eigeninteresse“ , wie es heißt, um einen Kollaps des Südens zu vermeiden, der alle mitreißen und die Eurozone auseinander reißen würde. Anders formuliert kann es aber auch bedeuten, dass Emmanuel Macron der Kanzlerin französischen Etatismus beigebracht hat und sich selbst seinem Ziel nähert einen EU Finanzminister im Rahmen einer Fiskalunion zu etablieren. Macron wird bei den Gewinnern eingeordnet.“Der Mann weiß, wie man Geld, das man nicht besitzt, in Prestige verwandelt.“ (Gabor Steingart)
Auch hier will der Wandel gestaltet werden:
Es gibt an die Gelder gebundene Richtungsweisungen. Als Schwerpunkte werden Modernisierung, Nachhaltigkeit, Rechtsstaatlichkeit genannt. Themengebiete sind Digitalisierung, Klimaschutz und länderspezifische Empfehlungen.
Hier sagen die Kritiker im Ergebnis: zu wenig für den Klimaschutz und die Forschung, Gesundheit, Migration, Investitionen in Drittstaaten(von der Leyen), Bildung, Forschung, Digitales, Außen-und Sicherheitspolitik (Lindner), Investitionen und Ökologie (Hacker)…
Weiterer Kritikpunkt ist, dass die Formulierung im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit zu schwammig sei, die verschiedenen Interpretationen der Parteien sprechen dafür. So bezeichnet es Ursula von der Leyen als klare Formulierung für Rechtsstaatlichkeit, Budgetschutz während Viktor Orban keine Verknüpfung der Geldervergabe mit den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit wahrnimmt. Im Text heißt es, dass der Europäische Rat die Bedeutung des Schutzes der finanziellen Interessen der EU und des Respekts der Rechtsstaatlichkeit unterstreiche. Vor diesem Hintergrund werde nun ein System der Konditionalität zum Schutz des Budgets und des Corona Plans eingeführt, die Vergabe von Geldern soll also an Bedingungen geknüpft sein. Die EU Kommission solle genaue Vorschläge vorlegen. Damit wurde der Streit vertagt.
Resumé: Letztlich ist festzuhalten: Das Corona Hilfsprogramm der EU ist notwendig, um einen stabilen europäischen Markt, ein stabiles Europa zu erhalten. Aber es ist genauso notwendig auch Reformbedingungen daran zu knüpfen. Rahmenbedingungen für den sich schon seit längerer Zeit abzeichnenden Strukturwandel der Wirtschaft zu leisten ist ebenfalls zulässig und gewünscht. Gleichzeitig muss aber eine stabile wirtschaftliche Basis erhalten bleiben. Doch wie lässt sich Wandel gestalten? Der letzte technische Wandel brachte die Automatisierung. Arbeitskräftemangel erforderte Rationalisierung in den 70er Jahren. Auch die Rezession erforderte kostensparende Faktoren. Aber-„Es ist wichtig, die Dinge nicht nur von der Problemstellung aus sondern auch von der Atmosphäre her zu betrachten.“ Alte Methoden greifen oft nicht mehr. Aber geblieben oder zunehmend wieder an Bedeutung gewonnen haben „gute kaufmännische Grundsätze: Solidarität, Weitblick, Risikofreudigkeit“. Ein gesundes Gebilde lässt sich nicht importieren, es muss gestaltet werden-aus sich heraus. Wichtig ist dabei eine Kombination aus Erfahrung und Vernunft. Der Unternehmer ist dabei Gestalter und Erneurer. Es ist und bleibt der Mensch der im Mittelpunkt steht bei den drei Säulen eines Unternehmens bestehend aus Kapital-Organisation und Mensch. Und das im Verlauf aller technischen Entwicklungen, die wiederum im Zentrum des Fortschritts stehen. „Die wahre Bedeutung aller Evolution ist ein Prozess des Selbstausdrucks.“…So zu lesen in einer Chronik aus längst vergangenen Tagen deutscher Unternehmergeschichte.