Krisenmanagement im Stresstest: Leadership- „ a matter of trust“
Die Corona-Krise hat Politiker weltweit in einen Kampagnen-modus versetzt. Die Katastrophe löst eine Kampagne aus, die Ängste der anderen sind die Bühne.

Das Wichtigste, was der Politiker besitzt ist das Vertrauenskapital, das wird vermehrt oder aufgezehrt. Doch das gilt nicht nur für Politiker in demokratischen Systemen. Es findet ein Stresstest für Kompetenz und Charakterfestigkeit, unerschütterliche Führung statt. Empathie und Moderation mit den Betroffenen, dann der Schuss auf den Sündenbock. Das nennt man Strategie und Krisenmanagement. Zu dieser Erkenntnis kommt Gabor Steingart und verweist dabei auf den Politikberater Sidney Blumenthal. Das Ergebnis nach Steingart: „Die Infektionswege der aktuellen Pandemie führen von Wuhan bis in die Zentralen der Macht. Die Bevölkerung und ihre Regierungen teilen das selbe Schicksal: Es wird Tote und Ermattung geben, im Volk und an den Schalthebeln der Macht.“
Tyson Parker, Programmdirektor und Fellow des Aspen Institutes Germany kommt beim Vergleich der Krisenstrategien bei Donald Trump, Emmanuel Macron, und Angela Merkel zu dem Schluss, dass sie im Management der Corona-Krise zu einer noch destillierteren Version ihrer selbst werden. „Trump presented himself as a rage-driven amateur defined by sloppiness and vindictiveness; Macron as an ambitious visionary clipped by capacity, Merkel as a diminished figure fading slowly into the background without leaving office.“ wie sie sich an ihre Nationen wenden zeigt ihr unterschiedliches Weltverständnis, ihre politischen Werte, ihre Ideologien. Die Corona-Krise zeigt neben der Bereitschaft und dem Zustand der Gesundheitswesen auch den Charakter und die Ideologien ihrer politischen Eliten.
Auf die USA bezogen führt das, nach Steingart, zu einem innenpolitischen Klimawechsel. Die Methoden der Polarisierung und Diffamierung im Inneren gelten als unpatriotisch, die Nation sammelt sich. Die Chancen für einen gemäßigten Kandidaten, der Mitgefühl zeigt, steigen. Aber auch Präsident Trump kennt den Fahrplan, er zeigt Mitgefühl mit den Opfern, um dann die Inkompetenz und Halbherzigkeit der Europäer anzuprangern. Der Einreisestopp aus Europa macht den Virus zu einem „ausländischen Virus“. Doch liegt das wohl laut ARD Experte Oliver Köhr daran, dass in den USA weniger getestet wird, die USA, was ihr Gesundheitssystem betrifft, viel schlechter aufgestellt ist. Tyson Parker sieht in Trumps Angriff auf die Freiheit und die Boogeymen in der EU einen Snapshot seiner Präsidentschaft. Hier zeigt sich seine instinktive Rachsucht gegen die EU, hat Strafcharakter. Der Grund, die „unfairen Steuererhöhungen“ der EU gegenüber den USA in den Obama Jahren. Es zeigt sich aber auch die dreijährige Atrophie in der Verwaltung wie die Schließung der Büros für Pandemiebereitschaft und Einschnitte im Zentrum für Krankheitskontrolle und Prävention. Auch will Trump zunächst Handel und Fracht in sein Verbot einschließen, wird aber dann von seinem Team berichtigt. Die Europäer kritisieren das US Gesundheits-und Sozialsystem und das Scheitern früherer Tests.
Großbritannien hat bislang auf weitreichende Maßnahmen verzichtet, auf die Kritik aus Wirtschaft, von 250 Wissenschaftlern, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der WHO hin erwägt es nun das Verbot von Großveranstaltungen. Die Bisherige Untätigkeit wird mit dem Argument der Herdenimmunität begründet. Doch Boris Johnson begründet es damit, dass zu früh ergriffene Maßnahmen den Nachteil hätten, dass die Menschen bei Erreichung des Höhepunkts der Krise nicht mehr gewillt wären, die Eindämmungs-und Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten.
Was bedeutet das im Hinblick auf das Krisen-Management in Frankreich und Emmanuel Macron? Die größte Gesundheitskrise in Frankreich seit einem Jahrhundert, legt den Grundstein für seine visionäre Agenda, einschließlich eines wirtschaftlichen Aufschwungs der EU, energischer globaler Bemühungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit und einer Top-Down Agenda in Frankreich mit Schulschließungen, staatlich finanzierten Anreizen, die alle von einem neuen Geist der Solidarität gegen die Krankheit getrieben werden. Die Ausdehnung der Agenda spiegelt übergroße Erwartungen seiner Bürger an ihre Regierung und auch an die Instrumente wieder, die dem Führer eines zentralisierten Staates wie Frankreich zur Verfügung stehen. Er kann als Präsident eines fügsamen Parlaments schnell Konjunkturmaßnahmen erzwingen. Doch zeigt die Rede auf der anderen Seite auch die Zwänge und Beschränkungen auf, die Frankreich als mittlere politische und wirtschaftliche Macht auf der Weltbühne hat obwohl sich Macron den Mantel internationaler Führung angezogen hat.
Und letztlich was heißt das für Deutschland? Die Nation ist aufgewühlt, sucht nach Maß, Mitte und gepflegter Langeweile. Was bisher als Bedrohung angesehen wird, wie Klimawandel, soziale Spaltung, verpasste Digitalisierung wird durch die Pandemie relativiert. Kanzlerin Angela Merkel erscheint nach Gabor Steingart „wie eine gute Feh“. Sie wartet laut Tyson Parker pflichtbewusst bis nach Macrons Rede auf die eigene Pressekonferenz. In dieser appelliert sie an Menschlichkeit und Solidarität. „Da sind unsere Solidarität, unsere Vernunft, unser Herz für einander auf eine Probe gestellt, von der ich mir wünsche, dass wir diese Probe auch bestehen.“ Maßstäbe des Handelns ergeben sich aus dem was die Wissenschaftler und Experten sagen. Auffällig bei ihrer Pressekonferenz sind die Anspielungen an den Föderalismus, auch der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder und der Hamburger Bürgermeister sind anwesend. Markus Söder widmet sich wie ein „de facto Kanzler“ den detaillierten betriebspolitischen Entscheidungen. Diese föderale Note in der Pressekonferenz spiegelt nicht nur die deutsche Verfassung sondern zieht sich wie ein roter Faden durch Merkels Karriere. Wie Tyson Parker bemerkt. Die Entscheidung nicht die gesamte Macht auszuüben, die ihr zur Verfügung steht. Sie gibt große Autonomie an die Mitglieder ihres Kabinetts. Jens Spahn kommt als Gesundheitsminister die Rolle der politischen Beruhigung zu, Olaf Scholz und Peter Altmaier verkünden als Finanz-und Wirtschaftsminister unbegrenzte Liquiditätshilfen für die deutschen Unternehmen. Auch Armin Laschet, als Ministerpräsident, steht neben den Genannten im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie alle haben ihre Rolle im Krisenmanagement aufgrund ihrer Regierungsverantwortung. Friedrich Merz und Norbert Röttgen dagegen stehen im Schatten. Der föderalistische Ansatz zeigt laut Tyson Parker seine Probleme auf europäischer Ebene am Offensichtlichsten, die ohne starke deutsche Führung entschieden unkoordiniert wirkt. Deutschlands fiskalische Liquiditätspolitik „whatever it takes“ verstaatlicht effektiv eine von der Europäischen Zentralbank getriebene eurozentrierte Politik in der Eurokrise und lässt Viele fragen, ob Deutschland Europa wirtschaftlich im Stich lässt. Parker bemängelte in seinem Aufsatz noch, ihm fehle der Moment als Merkel die Zügel übernimmt und den Kurs der deutschen Politik stark verändert, wie in der Flüchtlingskrise und Energiewende. Ist die Ansprache im deutschen Fernsehen von Angela Merkel nun der Moment?
In ihren bisher abgehaltenen öffentlichen Auftritten, bei der Pressekonferenz in Berlin und ihrer Fernsehansprache an „ihr Volk“ wirkt Angela Merkel eloquent, staatsmännisch aber auch mitfühlend. Der Umstand der Fernsehansprache ruft Aufsehen hervor, Merkel wendet sich sonst nur in ihrer Neujahrsansprache an das Volk. Das Drama steigt als Merkel eine Solidarität einfordert, die nicht mal vergleichbar mit der bei der deutschen Wiedervereinigung sondern mit dem Zweiten Weltkrieg eingeordnet wird. Als Vorgehensweise in einer offenen Demokratie benennt sie die Komponenten: Handeln begründen und kommunizieren, damit nachvollziehbarer machen. Die eingesetzten Mittel müssen mit Augenmaß angewendet werden. Die Einschränkungen, wie es sie nun gibt können in einer Demokratie nur in absoluter Not getroffen und gerechtfertigt werden. Gleichzeitig versichert sie den Schutz ihrer Bürger „Die Bundesregierung tut alles, was die kann.“ Verspricht Flexibilität in der dynamischen Situation, d. h. Erleichterung der Maßnahmen wenn möglich, Verstärkung, wenn nötig. Das Ziel: alle Bürger müssen es als ihre Aufgabe begreifen solidarisch mit den Betroffenen zu sein. Es muss Zeit gewonnen werden, um die Versorgung der Patienten sicher zu stellen und die Sterblichkeitsrate niedrig zu halten. Die Verwundbarkeit, liegt in der Abhängigkeit vom Handeln der Anderen. Merkel versäumt es nicht darauf zu verweisen, dass Deutschland ein exzellentes Gesundheitssystem hat.
In der Bewertung des Ziel-Mittel Einsatzes können wir sagen:
Ziel ist es die Verbreitungsgeschwindigkeit, die sich derzeit exponentiell entwickelt, zu stoppen. Die Exponentialfuntion bezieht sich hier auf die Zahl der Infizierten, sie ist von der Zahl der Verstorbenen bislang entkoppelt (Sterblichkeitsrate). Das weist auf die Unterschiedlichkeit der Gesundheitssysteme und ihren Zustand hin.
Die Instrumente des Krisenmanagements und ihre Einsetzbarkeit müssen immer ausbalanciert, abgewogen, werden. Darauf kommt es an. Die Einschränkungen des Alltags dürfen für die Menschen nicht überhand nehmen und die Wirtschaft darf nicht allein gelassen werden. Für die deutsche Wirtschaft und auf der EU Ebene wurden daher schnell Maßnahmen ergriffen. Das Motto „whatever is necessary“, „whatever it takes“.
Die Top-Down Agenda, die die meisten Regierungen anwenden bezieht sich auf die Einschränkungen der Versammlungs-und Bewegungsfreiheit bis hin zum täglichen Leben und Arbeiten der Menschen. Das hat Auswirkungen auf den einzelnen Menschen aber auch die Wirtschaft als Ganzes. Und was sagt die Wirtschaft? Es gibt eine Gegenbewegung zu Umsatzverlusten und sinkenden Daxwerten, Einreisestopps und Verlust von Dienstreisen.
Deutsche Vorstandschefs stemmen sich gegen die Wirklichkeit-kaufen eigene Aktien, die Kanzlerin rückt von der schwarzen Null ab, die Aktien der Technologieunternehmen, die mobiles Arbeiten erleichtern, legen zu.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier setzt sich dafür ein, die Lücken aufzufüllen, so dass „möglichst wenig Unternehmen schließen müssen“. Dabei setzt er auf maßgeschneiderte Angebote. Es ist Zeit für entschlossenes Handeln, Gesetze müssen dort ergänzt werden, wo notwendig. Maßnahmen, die in Deutschland derzeit eingeleitet sind: Einführung eines erleichterten Kurzarbeiter Geldes, flexiblere Arbeitszeitregelungen, gute soziale Sicherungssysteme, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Bürgschaften und Liquiditätshilfen für Unternehmen v.a. durch die staatliche Förderbank KFW, Kredite sollen flexibler gestaltet oder aufgestockt , Steuern gestundet werden. Dazu werden 500 Mrd. Euro freigegeben. 93 Mrd. werden direkt eingesetzt. Speziell mittlere und kleine Unternehmen sollen gerettet werden. Der Bayerische Ministerpräsident Söder spricht vom Einsatz eines Sondervermögens von 10 Mrd. Euro. „Wir lassen niemanden allein“.
Auf EU Ebene wird der Stabilitäts-und Wachstumspakt zwar nicht aufgehoben aber flexibel gestaltet (es wird eine Klausel in der EU Fiskalregel aktiviert, die erlaubt Budgetverpflichtungen von Ländern aufzuheben, die am meisten betroffen sind). 780 Mrd Euro sollen eingesetzt werden. Die EZB unter Führung Christine Lagardes weitet die Kaufprogramme für Staatsanleihen aus. 120 Milliarden werden geschaffen, Konditionen für Kredite gelockert, das macht das Zentralbank Geld langfristig günstiger.
Die Diskussion um die Angemessenheit der Maßnahmen nimmt bei den Punkten Schließung der Grenzen und Ausgangssperren Fahrt auf. So warnt EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor Grenzschließungen und verspricht Gesundheitsscreenings an den Grenzen. Andere wiederum wie Tichys Einblick sehen in der Verhinderung durch die Bundeskanzlerin gar ein Dogma, das zur Flüchtlingskrise geschaffen wurde. Das Dogma der offenen Grenzen. Hier wird der Schutz der eigenen Bevölkerung und des Gemeinwesens bei der Abwägung in den Vordergrund gestellt. „Moral der Weltoffenheit gegen Schutz vor Bedrohung“ bei der Abwägung in die Waagschale geworfen. Inzwischen sind an den Grenzen Deutschlands Grenzkontrollen eingeführt. In Bezug auf die Ausgangsperren und häusliche Quarantäre für das ganze Volk sprechen sich die Virologen Drosten und Kekule´ dafür aus „nicht die ganze Republik einzusperren“ . Auch hierfür gibt es Gegenindikationen.
Der Bayerische Ministerpräsident Söder hat den Katastrophenfall ausgerufen, um schnelle Entscheidungen zu treffen, die Diskussionsabstimmungen zu verzögern. Der Katastrophenfall gibt der Staatsregierung umfangreiche Steuerungs-, Eingriffs- und Durchgriffs-Möglichkeiten. Die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse kann für ein Jahr außer Kraft gesetzt werden. Es wurden umfangreiche Maßnahmen beschlossen, deren Einhaltung mit Geldbußen u.a. auch Freiheitsstrafen sanktioniert werden.
Wir halten also fest: Die Lage ist dynamisch, sie wird konstant neu bewertet, das Kriterium ist, was ist verhältnismäßig und angemessen. Insgesamt kann man sich Britta Weber vom SWR anschließen, es ist „ein Stresstest für die Gesellschaft“.
Was wir darüber hinaus feststellen und damit kommen wir im Resume´ wieder zum Anfang der Geschichte. Die veröffentlichte Meinung und hier spricht der eine oder andere schon von „medialen Erregungsfabriken“ fordert die Politiker im Krisenmanagement und dieses wiederum wirkt auf die veröffentlichte Meinung. Reagieren die Führenden zu wenig, zu spät wie Donald Trump und Boris Johnson erhalten sie weniger Lob. Eloquent und aktiv, allzeit präsent und empathisch zeigt sich dagegen der österreichische Kanzler Sebastian Kurz und wird von seiner gesamten Bevölkerung dafür gelobt, auch seinen sonstigen Kritikern. Ganz ähnlich zeigt sich das Bild in einem ganz anderen Teil der Welt in einem anderen System. Auch die Führung der Vereinigten Arabischen Emirate findet bei ihrer Bevölkerung umfangreiche Unterstützung. Allen voran ebenfalls ein junger Mann, der Kronprinz von Dubai. Auch hier werden aktiv Maßnahmen ergriffen und Empathie vermittelt. In der Agenda der Maßnahmen fällt die großangelegte Desinfektion der öffentlichen Orte und Verkehrsmittel auf. Der Einsatz der Regierung ist groß. Aber auch in Deutschland können Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Bayrische Ministerpräsent Markus Söder sehr gut punkten. Merkel, staatsmännisch, empathisch, demokratisch. Man traut ihr die Abwägung der Mittel nach bestem Wissen und Gewissen zu. Söder, ganz der „Bayerische Landesvater“, ergreift alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel. Aber letztlich wird es auf das Volk ankommen, wie werden die Maßnahmen aufgenommen? Wie handelt der Einzelne? Das bestimmt schlussendlich die Wirksamkeit der Mittel. Auf den Einzelnen kommt es an. Sein Verhalten hilft allen. Freiwillig oder sanktioniert. Österreich greift dabei sogar zu Überwachungsmethoden wie Traking via A1.