300 Städte sind nicht in der Lage ihre Luft so sauber zu halten, wie die EU es will
Als wären die extremen Verschärfungen der EU bei den Grenzwerten für die Saubere Luft in der Mitte der ersten Dekade dieses Millenniums nicht schon drastisch genug gewesen, so plant die EU derzeit erneut eine massive Herabsetzung der Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub in einem unrealistischen Tempo. Von Siegfried Balleis

Wir erinnern uns noch sehr genau an die Schlagzeilen in den Jahren 2017 bis 2019, als sage und schreibe 90 bundesdeutsche Städte, den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft nicht einhalten konnten. Nicht nur gegen Deutschland, sondern gegen weitere acht Mitgliedsstaaten der EU wurden damals Vertragsverletzungsverfahren durch die EU eingeleitet. Im Ergebnis erfolgte eine Verurteilung der Bundesrepublik durch den Europäischen Gerichtshof (EUGH). Dass diese Verurteilung letztlich keine Strafzahlungen auslöste, ist der Tatsache geschuldet, dass die Bundesregierung rechtzeitig Maßnahmen im Rahmen des Sofortprogramms Saubere Luft ergriffen hatte.
Teuer erkaufter Erfolg
Dafür musste aber die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des „Sofortprogramms Saubere Luft“ 2 Milliarden Euro aufwenden. Im Ergebnis gelang es, dass heute nur noch zwei Städte, nämlich München und Essen, nicht in der Lage sind, diese Grenzwerte einzuhalten. Dass 88 von 90 Städten nunmehr die gültigen Grenzwerte einhalten, war sicher ein großer Erfolg, der aber - wie gesagt - teuer erkauft werden musste. Jetzt erhebt die EU wieder überzogene Forderungen. Sie will den Grenzwert für Stickoxide um genau 50 Prozent auf 20 Mikrogramm pro Kubikmeter herabzusetzen. Nach überschlägigen Berechnungen wären heute bis zu 300 deutsche Städte nicht in der Lage diese massiv verschärften Grenzwerte einzuhalten. Massenhafte Klagen der Deutschen Umwelthilfe gegen unsere Städte sind damit programmiert.
Die Situation hat sich inzwischen auch insofern noch weiter dramatisch verschärft, weil die EU für die EU-Bürgerinnen und EU-Bürger individuelle Klagerechte begründen will, falls die Grenzwerte nicht eingehalten werden. Der bereits am 22. Oktober 2022 vorgelegte Vorschlag der EU sieht vor, dass die Bürgerinnen und Bürger im Falle eines Verstoßes gegen die Vorschriften zur Luftqualität sogar Anspruch auf Entschädigungen haben, bzw. sich kollektiven Schadenersatzklagen von Nichtregierungsorganisationen anschließen können. Man braucht nicht viel Phantasie, um die Konsequenzen dieser Klagemöglichkeiten abzuschätzen. Viele heute schon überlastete Gerichte drohen mit Klagen komplett lahmgelegt zu werden.
Verschärft werden die Herausforderungen für unsere Städte aber auch dadurch, dass die Probleme mit der sauberen Luft nicht mehr nur den Bereich der Mobilität betreffen, sondern durch das Heizungsgesetz der „Berliner Ampel“ zusätzliche Brisanz erhalten haben. Auch wenn Habeck auf Grund des Drucks der FDP sein Heizungsgesetz abgeschwächt hat, so wird er insgeheim damit rechnen, auf der Basis der verschärften EU-Grenzwerte seine ursprünglichen Pläne mit Verweis auf die EU durchzudrücken. Die Diskussion der vergangenen Monate hat deutlich gemacht, dass mit diesen Maßnahmen eine schleichende Enteignung der Immobilienbesitzer verbunden ist.
Schleichende Enteignung bei Immobilien
Aus diesem Grund kann man nur den Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag begrüßen, der vor wenigen Wochen in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde und der am 27. September zu einer öffentlichen Anhörung im Umweltausschuss des Deutschen Bundestags führte. In dieser Diskussion warnte nicht nur die Vertreterin des Deutscher Städtetags vor einer überhasteten weiteren Verschärfung der Grenzwerte, sondern auch die Vertreter der Wirtschaft, wie des DIHK und dem BDI argumentierten massiv gegen eine Verschärfung im Eiltempo. Es muss verhindert werden, dass Privathaushalte und Unternehmen durch die neuen Regelungen der Luftqualitätsrichtlinie unverhältnismäßig stark belastet werden. Außerdem steht zu befürchten, dass Unternehmen gezwungen werden, ihre Aktivitäten in Nicht-EU-Länder zu verlagern.