Kurz nacheinander haben die Grünen und die FDP ihre Bundesparteitage abgehalten und Wahlprogramme beschlossen. Während die Grünen an der einen oder anderen Stelle klar linke Akzente gesetzt haben, ist die FDP programmatisch inzwischen deutlich weniger radikal – und damit weit pragmatischer – als noch 2009 aufgestellt.
Legt man die beiden Wahlprogramme nebeneinander, werden die Unterschiede zwar deutlich. Gleichzeitig aber scheint es alles andere als unrealistisch, programmatische Gräben mit Kompromissen überbrücken zu können. Verfolgt man allerdings die Debatte, wird deutlich: Eine Koalition mit gemeinsamer Beteiligung von Liberalen und Grünen wird es auch in der nächsten Legislatur nicht geben. Denn kaum irgendwo wird so aufeinander eingedroschen wie zwischen diesen beiden Parteien.
Am Ende geht das Abendland nicht unter
Freuen kann sich darüber nur die Union unter Angela Merkel. Es ist die Unfähigkeit von FDP, Grünen und SPD, eine glaubhafte Koalitionsoption darzustellen, die es der Kanzlerin erlaubt, in egal welcher Konstellation den Partner von vorne bis hinten zu demütigen und am Ende ausgelaugt zurückzulassen.
Die SPD hat diese Erfahrung bereits gemacht, die FDP macht sie gerade. Nach derzeitigem Stand wird es auch im September wieder einer der beiden Partner sein, der Merkel den Steigbügel hält, während die Grünen als gestärkte Opposition immer bereitstehen würden, um notfalls mit Schwarz-Grün endlich wieder an die Töpfe der Macht zu kommen.
In Zeiten, in denen fundamentale Grundwerte Deutschlands und Europas von rechten oder linken Parteien, namentlich von der Linken und der Alternative für Deutschland, infrage gestellt werden und Zweiparteien-Koalition immer seltener und wenn, dann nur unter Beteiligung der Union möglich sind, müssen sich alle anderen fragen lassen, ob sie wirklich im Sinne ihrer Wähler handeln.
Einem SPD-, Grünen- oder FDP-Wähler dürfte eine Koalition unter Beteiligung der von ihm gewählten Partei immer noch lieber sein als eine beliebige andere. Und wenn die eine Seite (SPD und Grüne) vor einer Verelendung des Landes und dramatischer sozialer Kälte bei einer Regierungsbeteiligung der FDP und diese wiederum vor einem Ökosozialismus unter einer möglichen rot-grünen Regierung warnen, muss man mit Blick auf die vergangenen Jahre konstatieren: Beides ist unglaublicher Schwachsinn. Denn beide Optionen durften wir erleben – und das Abendland ist am Ende nicht untergegangen.
Zeit für einen Neuanfang
Es ist gut und richtig, dass die Parteien ihre Unterschiede deutlich machen. Am Ende stehen sie aber alle auf demselben Boden des Grundgesetzes und sind sich heute viel näher, als es noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war (dass deshalb von Euro-Gegnern und anderen von Blockparteien geredet wird, ist übrigens ebenfalls Schwachsinn). Selbst wenn man wirklich diese Ängste haben sollte, ist doch der Weg nicht, sich im Zweifel schmollend in die Ecke zu verziehen, sondern im Zweifel in einer Regierung die Dinge, die man nicht unterstützen kann, möglichst wegzuverhandeln.
Die FDP behauptet, sie habe die Union besser gemacht, und teilt auch sonst in letzter Zeit ordentlich gegen den eigenen Koalitionspartner aus. Was spricht denn dann eigentlich dagegen, die SPD oder die Grünen besser zu machen? Die Frage gilt andersrum natürlich genauso, je nach persönlichem Blickwinkel. Die Zeiten ändern sich, die Gesellschaft und die Wirtschaft stecken mitten in einem unglaublichen Modernisierungsschub. Nur die Parteien spielen immer noch dieselben Spiele, wie in den 1980er- und 1990er-Jahren – weil sie in weiten Teilen auch noch von den Protagonisten aus jener Zeit gesteuert werden. Es wird Zeit für einen Neuanfang, auch in der Politik.