Im Fokus von „Fit for 55“ stehen weder Endverbraucher noch Infrastruktur, sondern Unternehmen – sowohl in als auch außerhalb der EU. Doch wenn diese jetzt nicht rasch agieren, könnte es bald für uns alle teuer werden.
Nachgeschärfter ETS, indirekte Emissionen
Künftig soll der Emissionshandel (ETS) deutlich nachgeschärft werden. Bisher wurden Emissionszertifikate eher an Unternehmen vergeben, damit diese ihre Emissionen ausgleichen oder Zertifikate mit einem Premium an andere Organisationen weiterverkaufen können, deren CO2-Ausstoß höher liegt. So entstand ein finanzieller Anreiz dafür, die eigenen Emissionen zu senken. Die Preise der Zertifikate steigen aufgrund der Verknappung.
Bis dahin mussten Unternehmen allerdings nur für direkt verursachte Emissionen geradestehen; zum Beispiel für solche, die bei der Güterproduktion direkt am EU-Standort anfallen. Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) im Klimapaket legt jedoch fest, dass bald auch indirekt verursachte Emissionen auf der Klimabilanz landen – selbst dann, wenn Zulieferer und Logistik nicht in der EU sitzen. Dazu werden importierte Produkte schon ab 2023 entsprechend ihrer CO2-Bilanz besteuert. Kurz gesagt: Wo Emissionszertifikate bisher nur den direkten Ausstoß wettmachten, scheinen nun plötzlich auch die Abgase der gesamten Wertschöpfungskette auf.
Das setzt die Industrie enorm unter Druck. Wer jetzt nicht handelt und durchwegs emissionsärmer produziert, einkauft und lagert, muss bald mit Strafzahlungen in Form von CO2-Kosten rechnen. Wenn wir dieses Zukunftsbild auf ganze Branchen übertragen, wird der Handlungszwang noch deutlicher. Denn wenn es nicht schnell branchen- und industrieweite Dekarbonisierungen im Zulieferungsprozess gibt, kann dies zu negativen Folge-Effekten auf dem Kapitalmarkt führen. Die EU-Länder geben die Zielvorgaben aus dem Pariser Abkommen an die Unternehmen weiter und bitten diese dann zu Kasse. Ein von der EU ausgegebener Umsetzungsplan ist nicht zur Hand, und abfedernde Übergangsmechanismen fehlen völlig. Die Industrie ist auf sich selbst gestellt. Rasches Handeln ist gefragt, und zwar jetzt und nicht erst 2023, wenn die ersten CBAM-Steuern fällig werden. Unternehmen sollten Transparenz über ihre CO2-Emissionen aufbauen, um die Kosten dann verursachergerecht weiterzugeben bzw. die emissions-intensiven Prozesse zu reduzieren.
80 % CO2 in der Wertschöpfungskette
Das Problem dabei: Vielen Verantwortlichen ist nicht bewusst, wie viele und welche CO2-Verursacher sich in ihrer Wertschöpfungskette verstecken – dabei entstehen bis zu 80 % der Emissionen auf indirekte Weise. Doch Aufklärung ist nur die halbe Miete. Es ist einerseits sehr aufwandsintensiv und andererseits meist wenig zielführend, jeden Akteur im Zulieferungsprozess einzeln zu beurteilen. In den wenigsten Fällen wissen Zuständige genau, welche relevanten Daten sie von Kooperationspartnern abfragen müssen, die noch dazu häufig auf der anderen Seite der Welt sitzen. Vorhandene Daten so sinnvoll aufzubereiten, dass CO2-Sünder aufgespürt werden, ist dann direkt die nächste Hürde.
Digital dekarbonisieren
Eine kostenvermeidendere und zeitsparende Lösung für diese Herausforderung kann nur softwareunterstützt realisiert werden: Prozessautomatisierung und die intelligente Kombination von transaktionalen Daten mit Umweltdaten ermöglichen die Kalkulation der aktuellen Emissionen aus der Wertschöpfungskette (Scope3). Durch intelligente Environmental Software ist es Unternehmen möglich, große Datenmengen zu verarbeiten,relevanten Kennzahlen zu Emissionen visuell aufzubereiten und CO2-Verursacher auf diese Weise rasch zu identifizieren. Dann kommt der menschliche Faktor ins Spiel – denn dieser ist für den branchenübergreifenden Erfolg des Lösungsansatzes ebenso entscheidend: Die zuständigen Mitarbeiter kontaktieren nun gezielt stark CO2-verursachende Zulieferer und suchen gemeinsam nach Optionen, um Emissionen herunterzuschrauben. Ist das nicht möglich, können die Mehrkosten, die durch CBAM entstehen, direkt auf die Verantwortlichen übertragen werden. Diese Aktivität läuft natürlich nicht per E-mail oder Telefon ab, sondern auf der kollaborativen Plattform. Dies ermöglicht automatisierte Dokumentation und Nachverfolgung der erreichten Ziele. So hat jeder Akteur eine Motivation dazu, seinen Emissionshaushalt zu senken – und finanzielle Aufwendungen werden fair aufgeteilt.