19:15 Uhr, der Magen knurrt. Wie schön wäre jetzt ein leckeres Abendbrot, vielleicht mein aktuelles Leibgericht vom Thai. Doch eigentlich wollte ich zum Yoga, die Sportsachen extra eingepackt, die Erinnerungsfunktion im Handy aktiviert. Auch das schlechte Gewissen blinkt wie das Warnlicht neben dem Tanksymbol, schließlich habe ich die Woche zuvor erfolgreich das Fitnessstudio ignoriert. Präventiv, für den Fall, dass ich es nicht zum Yogakurs schaffe, schleppe ich auch noch meine Sportschuhe mit, um wenigstens auf den Geräten ein bisschen dies und jenes zu trainieren. Welch ein Dilemma.
OOooooom. Wie gut wäre jetzt ein bisschen Meditation. Essen-Yoga-Essen-Yoga – mit dem Gedankenkarussell dreht sich auch der Magen um. „Wir brauchen neben der Arbeit einen Ausgleich“, scheint das Motto des Jahrhunderts zu sein. Und so suchet und findet der Schweinehund-Bewältiger von heute seine „Zweitbeschäftigung“ auch schnell, meistens im Sport. Dreimal die Woche muss es mindestens sein, sonst bringt das ja nichts.
Müssenmüssenmüssen
Egal ob Jogging, Kickboxen oder eben Yoga, die vermeintliche Entspannung sitzt einem oftmals als kleine Pflicht im Nacken, woraus nicht selten Verspannungen resultieren. Auch „ein gutes Buch“ kann dagegen nicht helfen, wer hat schon nach einem Zehn-Stunden-Tag den Nerv für geistreiche Zeilen?
Doch eingestehen will man sich das nur zu ungern, schließlich giert die Gesellschaft geradezu nach Aktivitäten nach der Arbeit. Man schwimmt mit dem Strom, widmet sich vielleicht noch einem Sprachkurs für Berufstätige, ja, warum nicht gleich einem Fernstudium?! Immer _up to date_ bleiben, sich stets weiterbilden und dabei erholt sein, wie nach einem zehnwöchigen Urlaub auf den Malediven. Kein Problem – wenn es nach Ratgebern und uns selbst geht.
Wir folgen dem Dogma „Müssenmüssenmüssen“, doch warum lassen wir uns freiwillig unter Druck setzen, wenn wir eigentlich nur eins suchen: Entspannung?
Verkrampfte Dehnübungen beim Pilates
Wir brauchen Hobbys, für die wir eigentlich keine Zeit haben, möchten am Wochenende Erledigungen machen, auf die wir keine Lust haben. Immer in Bewegung, vergessen wir, worauf es bei einer Auszeit ankommt: mal ein paar Minuten nicht über die Arbeit nachzudenken. Über den Kollegen, der zwischen Hyperventilation und Heulkrämpfen hin und her wippte, die Kollegin, die einem mit ihren Monologen wahnsinnig auf die Nerven ging. Das geht nur mit einem halbaggressiven 20-Minuten-Dauerlauf oder verkrampften Dehnübungen beim Pilates. Abschalten … abschalten … jetzt schalte doch mal ab!
Dabei ist es nicht unmöglich, aus diesem vermeintlichen Teufelskreis kurz auszubrechen. Zauberwort: einfach mal „nein“ sagen.
Denn Yoga und Co. laufen nicht weg. Die Zeit, die uns für uns selbst bleibt, aber schon.
Darum ließ ich mein Magenknurren siegen und entspanne beim Schreiben dieses Artikels. Muss ja auch mal wieder sein. Mist.